Homo-Debatte
als „Kulturkampf“:

Die modernisierte Familienpolitik hat versagt.

 

HBF-AKTUELL, Tübingen, 12. Februar 2014, erstellt 14:57 Uhr, Stand 16:20 Uhr

Der Streit um die Aufklärung über Homosexualität an der Schule sorgt seit Wochen für heftige öffentliche Debatten. Auslöser ist der neue Bildungsplan der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, der die „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht behandeln soll. Gestern abend kam es in der ARD-Sendung „Sandra Maischberger“ zum direkten Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten/innen (HPL). Wer ihnen genau zuhörte (HPL), dem dämmert, daß die „modernisierte Familienpolitik“ seit der Jahrtausendwende für die Eskalation des Meinungsstreits maßgeblich mitverantwortlich ist (HPL).

 

HBF-Volltext-Version

 

Der Streit um die Aufklärung über Homosexualität an der Schule sorgt seit Wochen für heftige öffentliche Debatten. Auslöser ist der neue Bildungsplan der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, der die „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht behandeln soll. Gestern abend kam es in der ARD-Sendung „Sandra Maischberger“ zum direkten Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten/innen:

ARD Menschen bei Maischberger 11.02.14

Homosexualität auf dem Lehrplan:

DROHT DIE “MORALISCHE UMERZIEHUNG”?

 

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle: Sollen Kinder und Jugendliche über die “sexuelle Vielfalt” im Unterricht aufgeklärt werden? Das plant die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg und erntete dafür in konservativen Kreisen erbitterte Proteste. In einer Petition mit rund 190.000 Unterzeichnern heißt es, der Plan “zielt für uns auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen”. Es tobt ein “Kulturkampf”, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich feststellte.

Gäste:

        Olivia Jones (Travestie-Künstlerin)

        Jens Spahn, CDU (Gesundheitspolitischer Sprecher)

        Birgit Kelle (Journalistin und Buchautorin)

        Hera Lind (Schriftstellerin)

        Hartmut Steeb (Generalsekretär “Deutsche Evangelische Allianz”)

Wer der Diskussion genau zuhörte, dem dämmert, daß die „modernisierte Familienpolitik“ seit der Jahrtausendwende für die Eskalation des Meinungsstreits maßgeblich mitverantwortlich ist:

FAZ.NET  12.02.14

TV Frühkritik: Sandra Maischberger

KULTURKAMPF GEGEN DIE „HOMO-LOBBY“?

Gehört Homosexualität auf den Lehrplan? Die baden-württembergische Regierung plant das. Wer die Maischberger-Diskussion darüber anschaute, konnte etwas lernen.

Von Frank Lübberding

 

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn sprach gestern Abend von einem drohenden „Kulturkampf“. Der Begriff ist klug gewählt. Er ist in Deutschland historisch mit dem Angriff Bismarcks auf den Katholizismus verbunden. (…)

Geblieben ist nämlich eine Illiberalität, die unfähig ist, Diskurse noch als etwas anderes als ein modernes Schlachtfeld zu definieren. Wie das heute aussieht, musste Frau Maischberger schon im Vorfeld ihrer Sendung erleben. Sie plante über den hoch umstrittenen Bildungsplan der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg zu diskutieren, der die Integration homosexueller Lebenswelten in das Curriculum der Schulen vorsieht. Unter anderem mit Hartmut Steeb, Generalsekretär der „Deutschen Evangelische Allianz“, und der konservativen Journalistin Birgit Kelle. Beide lehnen den Bildungsplan ab und unterstützen eine entsprechende Petition an den Landtag in Stuttgart.

„Schwul“ ist auf Schulhöfen eine Beleidigung

Der Vorwurf an Frau Maischberger betraf deren Einladung. Steeb und Frau Kelle verträten homophobe Positionen und dürften daher nicht in solche Sendungen eingeladen werden. Solche Redeverbote, und darum handelt es sich, kannte übrigens auch schon Bismarck. (…)

Frau Kelle ist aber gleichwohl ein wichtiger Hinweis zu verdanken. Sie machte deutlich, wie der Begriff „Toleranz“ mittlerweile zur Formel für Beliebigkeit geworden ist. So bedeutet Toleranz gerade nicht den Verzicht auf die Idee der Überlegenheit des eigenen Wertesystem. Jemand wie Steeb kann selbstverständlich eine auf das Christentum beruhende Vorstellung von der „natürlichen Ordnung“ haben, die auf der lebenslangen Ehe und der Aufzucht von Kindern beruht. Solche Wertvorstellungen muss man tolerieren, wenn der Begriff einen Sinn machen soll, gerade wenn man sie nicht teilt. (…..) Eine völlig andere Frage ist aber, ob der Staat als Gesetzgeber ein Wertesystem für alle Bürger verpflichtend macht. Frau Kelle sah im Bildungsplan dieses Motiv. (…)

Mit diesem  Argument darf man nicht leichtfertig umgehen, gerade weil sich der Staat in den vergangenen Jahrzehnten mühsam in Richtung gesellschaftspolitischer Neutralität entwickelt hat. Er hat nicht nur die Strafbarkeit der Homosexualität abgeschafft, sondern solche Lebensformen weitgehend mit der klassischen Ehe gleichgestellt. Der Gesetzgeber kann aber nicht die Existenz unterschiedlicher Wertesysteme in Frage stellen. Das schließt auch das Modell von Steeb oder Frau Kelle ein. Beide müssen sich in solchen vom Staat verordneten Bildungsplänen wiederfinden können, wenn Toleranz mehr sein soll als eine hohle Phrase.Steeb wusste dabei interessanterweise von eigenen Diskriminierungserfahrungen zu berichten: Ein gläubiger Christ mit 10 Kindern muss nicht unbedingt mit der Toleranz seiner Mitmenschen für seinen Lebensentwurf rechnen. Wohl eher mit Hohn und Spott – oder sogar offener Verachtung. (…)

 

 

Welt Online 12.02.14, 08:13

“Maischberger”

“Niemand wird in der Schule schwul gemacht”

Der Maischberger-Talk zum Thema Homophobie zeigte, dass nur die offene Diskussion vor einem aufziehenden Kulturkampf schützt. Andernfalls droht auch in dieser Debatte der “Sarrazin-Effekt”.

Von Daniele Raffaele Gambone

 

(..) Ausgangspunkt für die TV-Diskussion war die Auseinandersetzung um den neuen Bildungsplan der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs. Diese hatte in einem Arbeitspapier die Akzeptanz sexueller Vielfalt als eines von mehreren fächerübergreifenden Erziehungszielen definiert und damit unerwartet starken Protest ausgelöst. (…)

Von den einen wird sie als richtiger Schritt zur angestrebten Gleichstellung betrachtet. Andere meinen darin eine ungerechtfertigte Priorisierung besonders der Homosexualität gegenüber den dominierenden Modellen heterosexuellen Zusammenlebens zu erkennen. Sie wähnen den grundgesetzlich verankerten Schutz von Ehe und Familie in Gefahr. Die Fronten sind verhärtet. (…)

Mit der meinungsstarken Journalistin Birgit Kelle (….)  Stattdessen berichtete sie über die Auswüchse der {Aufklärung von Grundschulkindern}, denen man unter anderem beigebracht habe, wie Lesben sich gegenseitig befriedigen. Angesichts solcher Entwicklungen könne man als Eltern nur hoffen, einen Lehrer zu bekommen, der “das vernünftig und sensibel macht”. Dabei wolle sie es aber nicht belassen. Das ist sicher nachvollziehbar. Fragwürdiger mutete da schon der Versuch an, die Ausgrenzung kinderreicher Familien gegen die Ausgrenzung sexuell Andersartiger hochzurechnen, so als rechtfertige ein Leid das andere. Man kann daran vielleicht ein überraschend weit verbreitetes Unbehagen darüber ablesen, dass sich Familien mit ihren Anliegen – auch und gerade vom Thema Homosexualität – an den Rand gedrängt fühlen. Kelle kritisierte beispielsweise die überflüssige “Omnipräsenz” von Outings.

 

Genau dieses Gefühl der zunehmenden Mißachtung des eigenen Lebensentwurfs ergreift immer mehr Familien, die das Modell der Hausfrauen- oder das der „1,5 Ernährer-Hinzuverdienerin-Ehe“ leben – von kinderreichen Familien ganz zu schweigen. Trotz aller offiziellen Bekundungen zur „Wahlfreiheit“ stehen diese Lebensformen bei Politik, Wirtschaft und den maßgeblichen Experten faktisch auf der Abschußliste. Leitbild der demographisch-getriebenen, modernisierten Familienpolitik seit der Jahrtausendwende ist das Doppel-(Vollzeit)-Verdiener-Modell mit ausgiebiger Nutzung staatlich organisierter Betreuungsinfrastruktur (vgl. z.B. zuletzt HBF 27.01.14 oder HBF-Themen-Archiv „Arbeitsmarkt- statt Familienpolitik“). Wenig überraschend, wenn die politischen Modernisierungsverlierer sich immer heftiger gegen ihren gesellschaftlichen Abstieg wehren.

 

Zum Thema siehe auch:

  • HBF-Themen-Archiv “Arbeitsmarkt- statt Familienpolitik”
  • HBF-Themen-Archiv ” Familienarbeit / Hausarbeit / Unterhaltsrecht
  • HBF-Themen-Archiv “Alterung/ Reaktionen und Konzepte”

 

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