Naiver Arbeitsmarkt-Feminismus
– taz-Leser/innen zeigen sich irritiert
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HBF-Lese-Tip Tübingen 14. März 2014, erstellt 15:22 Uhr, Stand 20:59 Uhr
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Die arbeitsmarktzentrierte “Familienpolitik” der Bundesregierungen seit der Jahrtausendwende findet bei frauenpolitisch bewegten Experten/innen, Verbänden und Redaktionen großen Zustimmung. Nachdem die schwarz-rote Bundesregierung gerade ihre Absichten für die laufende Legislaturperiode vorgestellt hat (HPL), gab es bei der “alternativen” taz besonders lauten Beifall dafür zu lesen (HPL). Einige Leser/innen zeigten sich allerdings von dieser bedingungslosen Unterstützung des Regierungskurses höchst irritiert (HPL).
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HBF-Volltext-Version
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Die arbeitsmarktzentrierte “Familienpolitik” der Bundesregierungen seit der Jahrtausendwende findet bei frauenpolitisch bewegten Experten/innen, Verbänden und Redaktionen großen Zustimmung. Am Mittwoch dieser Woche hat die schwarz-rote Bundesregierung ihre Absichten für die laufende Legislaturperiode vorgestellt…
bundesregierung.de Mittwoch, 12. März 2014
Fachkräfte
Immer mehr Ältere erwerbstätig
In einigen Branchen fehlen Fachkräfte: Ingenieure, Pflegekräfte oder Klempner. Damit hier kein flächendeckendes Problem entsteht, hatte die Bundesregierung 2011 ein Fachkräftekonzept beschlossen. Dazu hat das Kabinett nun den Fortschrittsbericht 2013 verabschiedet. Darin werden erste Erfolge deutlich. (…)
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Bei den 20- bis 64-jährigen Frauen waren 71,5 Prozent erwerbstätig. Die angestrebte Quote von 73 Prozent wurde fast erreicht. Allerdings: Sowohl bei der Arbeitszeit als auch bei der Quote der Frauen, die arbeitet, gibt es noch großes Entwicklungspotenzial.
Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
71 Prozent der Mütter mit minderjährigem Kind waren 2012 erwerbstätig. 2006 waren es noch knapp sieben Prozent weniger. Junge Mütter arbeiten mehr Stunden pro Woche als in den Vorjahren. Sie profitieren von der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Bundesregierung setzt hier weiter an: Kitas und Ganztagsschulen werden ausgebaut.(…)
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Dafür gab es bei der “alternativen” taz besonders lauten Beifall. Einige Leser/innen zeigen sich allerdings von dieser bedingungslosen Unterstützung des Regierungskurses höchst irritiert:
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Taz 12.03.14
Kommentar Teilzeit von Frauen
Das Mantra Wahlfreiheit
Viele Mütter wollen mehr arbeiten. Aber sie finden keine Vollzeitjobs, so das Ergebnis des neuen Fachkräfteberichts der Regierung.
Kommentar von Simone Schmollack, Inlandsredakteurin
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Als „verschenkte Potenziale“ bezeichnet die Soziologin Jutta Allmendinger Frauen, die hierzulande am Arbeiten gehindert werden. Diese These erfährt mit dem Fortschrittsbericht des Arbeitsministeriums gerade eine weitere Bestätigung: Mehr als die Hälfte der berufstätigen Mütter würde gern mehr arbeiten als die durchschnittlich 18,6 Stunden, die sie jetzt im Job verbringen.(…)
Auch Andrea Nahles tut das. Jetzt ist sie Ministerin, ausgerechnet in dem Haus, das zuständig ist für Arbeit, Teilzeit und verschenkte Potenziale. (…)
Doch sie wird sich darauf einstellen müssen, dass sie Gegenwind bekommt. (…:) Auch von links darf sie Angriffe erwarten. Auch von Frauen. Wer hierzulande vehement für Vollzeit auch für Mütter plädiert, wird rasch als kapitalismusfreundlich und frauenfeindlich angeklagt.
Dabei besteht kein Widerspruch zwischen linkem Denken, Kapitalismuskritik und weiblicher Vollzeitbeschäftigung. Nur wird das so selten zusammen gedacht. Derzeit gibt es keine Konzepte für eine befriedigende Zeitpolitik. Eine, die vielen Lebensentwürfen gerecht wird. Eine, bei der Frauen sich nicht entscheiden müssen zwischen Familie und Erwerbsarbeit, sondern beides gleichermaßen haben können. Oder zeitversetzt. (…)
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gast
-Gast
gestern, 11:28
Ach, das erstaunt mich jetzt aber.
Immer mehr Frauen arbeiten, immer mehr Frauen verzichten ganz auf Kinder, oder verschieben den Kinderwunsch hin zum SanktNimmerleinsTag, immer mehr Frauen “müssen” arbeiten, da sie Alleinerziehend sind und die Harz4-Keule droht, immer weniger Familien kommen mit einem Haushaltseinkommen aus, immer mehr heitzen die Medien den Frauen Rentenangst und Beziehungsangst ein und dann…
….wenn alle versuchen auf den Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen, reicht das Arbeitsvolumen nicht aus um allen Arbeitsbedürftigen nachzukommen.
Dann plötzlich gibt es keine Vollzeitjobs für all die Lebensoptimiererinnen, all die Beziehungsverliererinnen, all jene die nach Familienarbeitsphasen zurückkehren wollen.
Und das Überangebot an weiblichen Arbeitskräften führt zu Lohndumping und Ausbeutungsverhältnissen.
Hallo, wie naiv war hier wer ?
Sozialistische Planwirtschaft war gestern, willkommen in der knallharten Marktwirtschaft.
Wer zu spät Kapitalismuskritik übt, nichts mitbekommt vom “normalen” Leben und lieber auf Aufsichtsratposten schielt, den bestraft die Geschichte mit Irrelevanz.
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Heinz
-Gast
Mittwoch, 19:19
Der Widerspruch zwischen Feminismus und Kapitalismuskritik besteht darin, dass feministische Positionen nur darauf abzielen, die Plätze an den Fleischtöpfen neu zu vergeben – nicht aber am Prinzip rütteln möchten, dass es überhaupt Fleischtöpfe und Katzentische gibt.
Sich einfach hinzustellen und für Mütter die Möglichkeit zur Teilnahme an Vollzeitarbeit und kapitalistischer Knochenmühle zu fordern, ist nunmal keine linke Position. Auch wenn Sie das noch so gerne hätten.
Wirkliche und ernsthafte Kapitalismuskritik kommt nämlich eigentlich ganz gut mit dem Begriff “Mensch” aus – da werden “Mann” und “Frau” gar nicht so dringend benötigt.
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Gast
-Gast
Mittwoch, 17:52
Also ich kann nur sagen, mir reichen meine 28kommairgendwas Stunden völlig aus, ich würde auch weniger arbeiten, dabei bin ich noch nicht mal Mutter.
Ich frage mich, ob die Frauen wirklich alle vollzeit erwerbstätig sein wollen, oder ob sie nicht einfach das volle Gehalt wollen bzw. brauchen, oder auch ob sie einfach auf Arbeit für voll genommen werden wollen.
Es gab doch mal die Forderung von 30-Stunden-Woche für alle (mit Bezahlung, von der man leben kann), das halte ich für viel sinnvoller. Wer mit dem Rest seiner Zeit nichts anfangen kann, kann sich ja immer noch ehrenamtlich betätigen.
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Zum Thema siehe auch:
- ÖKOLOGIE: Für einen Zeit-Wohlstand. – Über Umweltschutz wird neu diskutiert – und dabei auch die Verbindung hergestellt zwischen Burnout und Ausbeutung der Erde. Bernward Janzing. taz 14.03.2014
- Aufwachsen in der Krippe – der neue politisch korrekte Standard für die „emanzipierte“ Mittelschicht / Exemplarische Zweifel einer “modernen” Mutter sorgen für überfällige Diskussion – Eine taz-Autorin verläßt den modernen Konsens (HBF 26.07.13)
- Feminismus in der Arbeitsmarktfalle! – FREITAG-Interview mit dem HEIDELBERGER FAMILIENBÜRO zum neuen „Babyboom“ und der modernen Familienpolitik (HBF 03.01.11)
- HBF-Themen-Archiv “Arbeitsmarkt- statt Familienpolitik”
- HBF-Themen-Archiv “Medien/Journalismus-Qualität”