35-Stunden-Woche für Eltern:

Kein Beitrag zur Familienfreundlichkeit!

– Neue Regierungsstudie dokumentiert die Fakten.

°

HBF-AKTUELL Tübingen 23. April 2014, erstellt 15:18 Uhr, Stand 20:59 Uhr

°

Mit ihrem Vorschlag einer “Familienzeit” für Eltern hat Bundesfamilienminsterin Manuela Anfang des Jahres noch den Unwillen der Bundeskanzlerin auf sich gezogen (vgl. HBF 2014a/b). Seit die Wirtschaft die möglichen Vorteile dieser Idee für sich erkannt hat (HPL), hofft die Ministerin nicht nur auf mehr Rückenwind, sondern gibt es inzwischen auch offene Unterstützung aus Unionskreisen (HPL).

Wie groß der wirtschaftliche Gewinn tatsächlich ausfallen könnte, hat Manuela errechnen und jetzt als Studie veröffentlichen lassen (HPL). Die darin gesammelten Fakten dokumentieren allerdings keinen Zuwachs an Familienfreundlichkeit (HPL). Zudem lassen sie ein erhebliches demographisches Risikopotential für die Altenrepublik Deutschland erkennen (HPL).

 °

HBF-VOLLTEXT

°

Mit ihrem Vorschlag einer “Familienzeit” für Eltern hat Bundesfamilienminsterin Manuela Anfang des Jahres noch den Unwillen der Bundeskanzlerin auf sich gezogen (vgl. HBF 10.01.14 und HBF 27.01.14). Mitterweile hat die Wirtschaft die möglichen Vorteile dieser Idee für sich erkannt:

°

F.A.S. 06.04.14

Arbeitszeit DIHK will 35-Stunden-Woche für Väter

Zu viele Frauen arbeiten nur in Teilzeit, findet der Vorsitzende des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Wenn Väter ihre Arbeitszeit etwas reduzieren, könnten Frauen besser aufstocken.

05.04.2014. Der Vorsitzende des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, hat eine 35-Stunden-Woche für Väter und Mütter vorgeschlagen. „Wir müssen von Modellen wegkommen, bei denen der eine Partner Vollzeit arbeitet und der andere Teilzeit mit wenigen Stunden“, sagte Schweitzer in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.): „Wenn man es sinnvoll organisiert, dann könnte der eine auf 35 Stunden reduzieren und der andere auf 35 Stunden aufstocken. In der Summe ist das immer noch mehr, als wenn der Mann 40 Stunden arbeitet und die Frau nur halbtags“.

Schweitzer begründete seinen Vorstoß mit dem drohenden Mangel an Arbeitskräften und der Notwendigkeit, den Erwerbsanteil von Frauen zu erhöhen. „Durch die Demografie werden uns künftig Millionen Arbeitskräfte fehlen“, sagte er dem Blatt. „Wenn wir diese Arbeitsleistung nicht ersetzen, können wir unser jetziges Sozialprodukt nicht mehr erwirtschaften und unser Sozialsystem nicht mehr finanzieren.“ Derzeit arbeiteten in Deutschland zu viele Frauen in Teilzeit.

Bundesfamilienministerin Manuela (SPD), die im Januar ein ähnliches Modell vorgeschlagen hatte, begrüßte in der F.A.S. den Vorstoß des DIHK. „Wir müssen Vollzeit für Familien neu definieren“, sagte sie. „Mit einer Familienarbeitszeit, bei der beide Elternteile ihre Arbeitszeit maßvoll reduzieren, können wir der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen.“ Das in der Koalition vereinbarte Elterngeld Plus sehe sie lediglich „als ersten Schritt“, fügte die Ministerin hinzu. (….)

°

Seither hofft die Ministerin nicht nur auf mehr Rückenwind, sondern es gibt inzwischen auch offene Unterstützung aus Unionskreisen:

°

Bild 17.04.2014 – 00:01 Uhr

Arbeitszeit

UNION WILL 35-STUNDEN-WOCHE FÜR ELTERN

Die 35-Stunden-Woche als Standard-Modell der Zukunft? In der Union ist man nicht abgeneigt

Von Anne Merholz und Karina Mössbauer

Berlin – Einigt sich die Große Koalition doch noch auf kürzere Arbeitszeiten für Eltern bei vollem Lohnausgleich?

Noch im Januar hatte die Kanzlerin Pläne von SPD-Familienministerin Manuela (39) für eine 32-Stunden-Woche vom Tisch gewischt.

Doch jetzt scheint auch die Union Gefallen an der Arbeitszeitverkürzung für Väter und Mütter zu finden, schlägt 35 Stunden/Woche vor: „Die 35-Stunden Woche für Eltern ist eine gute Idee“, sagte der Chef des Bundestags-Familienausschusses, Paul Lehrieder (54, CSU), zu BILD. „Wir müssen jetzt zügig einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen.”

°

und HBF-Premium

°

Wie groß der wirtschaftliche Gewinn tatsächlich ausfallen könnte, hat Ministerin Manuela errechnen und jetzt als Studie veröffentlichen lassen. Die darin gesammelten Fakten dokumentieren allerdings keinen Zuwachs an Familienfreundlichkeit. Beim neuen politischen Ideal der doppelten-“Vollzeit”-Erwerbstätigkeit käme es zu einer weiteren, deutlichen Verringerung der alltäglichen Familienzeit.

Schon die Kombination aus einkommensabhängigem Elterngeld, scharfen Einschnitten beim nachehelichen Unterhalt seit 2007 (vgl. z.B. HBF 08.02.07) und und dem gleichzeitigen “Krippen”-Ausbau hat viele Mütter veranlaßt, schneller als in der Vergangenheit auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren:

35-Stu3

aus: Dossier: MÜTTERERWERBSTÄTIGKEIT. Erwerbstätigkeit, Erwerbsumfang und Erwerbsvolumen 2012. Bundesfamilienministerium März 2014

Aus Sicht der Wirtschaft und damit auch der Politik ist diese Entwicklung jedoch weiterhin unbefriedigend. Trotz höherer Erwerbsquote bleibe die Arbeitszeit der Mütter nämlich bislang weit unterhalb der erwünschten 35-Stunden-Woche – gerade in Westdeutschland:

35-Stu5aus: ebda, S. 38

und HBF-Premium

°

Laut der Studie gäbe es jedoch bei den Müttern einen ausgeprägten “Wunsch”, ihr Arbeitsvolumen deutlich auszuweiten:

°

Von den Eltern mit Kleinkindern zwischen einem und drei Jahren ist das Ideal einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung weit verbreitet: 60 Prozent „wünschen, dass beide Partner in gleichem Umfang erwerbstätig sind und sich gemeinsam um Haushalt und Familie kümmern”.[1] Eine solche Aufteilung können allerdings derzeit nur 14 Prozent der Elternpaare realisieren. (…)

(aus: ebda. S.62)

Daß diese politisch begrüßten Arbeitszeitwünsche der Mütter nicht nur ihrem freien Willen entspringen, sondern wohl eher ihrem ausgeprägten Realitätssinn der Eltern geschuldet sind, läßt die Regierungsstudie nur indirekt erkennen. So hat etwa die deutlich verbesserte wirtschaftliche Absicherung für viele Mütter in den ersten 12 Lebensmonaten ihres Kindes durch das Elterngeld die Erwerbsquote mit -7,2% schnell und kräftig fallen lassen (s.o.).

Gleichzeitig sind sich die Eltern mittlerweile vollkommen im Klaren darüber, welche einschneidenden wirtschaftlichen und beruflichen Nachteile längere Arbeitsmarktpausen für sie mit sich bringen:

°

6.1 Die Familien profitieren

Mütter haben geringere Lohneinbußen durch Erwerbsunterbrechungen

Verschiedene Studien haben die Effekte von Erwerbsverläufen auf die erzielbaren Löhne untersucht.[1] Während sich Erwerbserfahrung positiv auf das erzielbare Lohneinkommen auswirkt, führen Erwerbsunterbrechungen zu gegenläufigen Effekten……

 

und HBF-Premium

°

Die Vorteile des doppelten 35-Stunden-Wochen-Ideals für den Arbeitsmarkt und die Volkswirtschaft hat die Bundesfamilienministerin genau ermitteln lassen…

°

6.2 Die Gesamtwirtschaft profitiert

Neben den Effekten auf der individuellen Ebene der Familien profitiert auch die Gesamtwirtschaft davon, wenn Mütter frühzeitiger ins Erwerbsleben (wieder-)einsteigen.

Der Anstieg der Erwerbstätigenquote der Mütter mit jüngstem Kind bis drei Jahre zwischen 2006 und 2012 hat zur Folge, dass – bereinigt um die demografische Veränderung der Gesamtzahl der Mütter – in Summe zusätzliche 72.000 Mütter eine Berufstätigkeit ausüben. Gleichzeitig ist der durchschnittliche Arbeitsstundenumfang der erwerbstätigen Mütter um über 2 Stunden in der Woche gestiegen. Beide Effekte zusammen – der Anstieg der Erwerbstätigenquote sowie die Ausweitung des Erwerbsumfangs – bedeuten insgesamt einen Anstieg des Erwerbsvolumens dieser Mütter um 74.000 Vollzeitäquivalente (vgl. Abbildung 6-2).

Abbildung 6-2: Veränderung der Zahl erwerbstätiger Mütter, Personen und Vollzeitäquivalente, 2012 gegenüber 2006

35-Stu8

(….)

Durch die zusätzliche Erwerbstätigkeit von 74.000 vollzeitäquivalenten Müttern entstehen direkte und indirekte Impulse für die Volkswirtschaft. Zusätzliche Arbeitnehmerentgelte führen zu einer Ausweitung des privaten Konsums, wodurch es zu einer höheren volkswirtschaftlichen Nachfrage und damit zu weiteren Produktionssteigerungen kommt. Dieser einkommensmultiplikative Effekt ist abhängig von der Konsumquote, der Importquote und der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenlast. Auf Basis der zusätzlichen Arbeitnehmerentgelte der 74.000 Mütter kann von einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um rund 4,7 Mrd. Euro ausgegangen werden.[1]

Zudem trägt die zusätzliche Erwerbstätigkeit zur Verringerung des Fachkräftemangels bei. Nach Prognos-Berechnungen werden bereits 2015 auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland knapp 3 Millionen Personen fehlen.[2] Die 72.000 Mütter (mit jüngstem Kind im Alter von null bis drei Jahren), die zusätzlich erwerbstätig geworden sind, stellen damit einen Beitrag zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels dar. Da von einer nachhaltigen Wirkung der früheren Berufsrückkehr der Mütter auszugehen ist, ist künftig ein deutlicher Anstieg der Erwerbstätigenquoten auch von Müttern mit älteren Kindern zu erwarten. Darüber hinaus wirkt sich die zusätzliche Erwerbstätigkeit von Müttern positiv auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, speziell der gesetzlichen Rentenversicherung, aus.

(aus: ebda S.67f)

Vollkommen unberücksichtigt hat Manuela allerdings das demographische Risikopotential für die Altenrepublik Deutschland gelassen, wenn sie ihr neues Familien-Arbeitsmarkt-Ideal als gesellschaftlichen Standard etablieren sollte…(HBF-Premium)

 

 

 

Zum Thema siehe auch:

°

°

 

Schreibe einen Kommentar