Die steigende “Bildungsbeteiligung” der unter 3-Jährigen in der Kindertagesbetreuung und der Ausbau der Ganztagsschulen sind für die Autoren/innen des Bildungsberichts 2014 zentrale Beiträge zur Steigerung des Bildungserfolgs und der Chancengerechtigkeit in Deutschland (HPL). Bei Kindern in “Risikolagen” sei das Mobilisierungspotential noch nicht ausgeschöpft (HPL). Zudem müßten nach dem quantitativen Ausbau der letzten Jahre jetzt deutliche Qualitätsverbesserungen angestrebt werden (HPL). Dennoch, so räumt die Expertengruppe schließlich ein, gäbe es ein strukturelles Problem, daß die Erwartung an eine deutliche Verbesserung der Chancengleichheit auf diesem Weg stark dämpfe (HPL). Konsequenzen und politische Empfehlungen aus dieser grundlegenden Einsicht sucht man jedoch im Bildungsbericht 2014 (nahezu) vergeblich (HPL – siehe dazu auch: HBF 2013).
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HBF-VOLLTEXT
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Die steigende “Bildungsbeteiligung” der unter 3-Jährigen in der Kindertagesbetreuung und der Ausbau der Ganztagsschulen sind für die Autoren/innen des Bildungsberichts 2014 zentrale Beiträge zur Steigerung des Bildungserfolgs und der Chancengerechtigkeit in Deutschland:
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Autorengruppe Bildungsberichterstattung
Bildung in Deutschland 2014
(Juni 2014, Bericht S. 59)
Mehr denn je stellen sich Fragen danach, was institutionelle Bildung leisten kann, wer von den Angeboten profitiert und inwiefern es gelingt, herkunftsbedingte Unterschiede auszugleichen und so frühzeitig zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen. (….)
der Autorengruppe Bildungsberichterstattung zum Bildungsbericht 2014 (13.06.14)
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Bildungsteilnahme
Steigende Bildungsbeteiligung der unter 3-Jährigen in der Kindertagesbetreuung und den höherqualifizierenden Bildungsgängen: Die Bildungsbeteiligung bei den 1-Jährigen stieg zuletzt im Osten auf knapp 62%, im Westen auf 23%. Auch bei den 2-Jährigen sind steigende Beteiligungsquoten zu beobachten, während unter 1-Jährige die Angebote kaum nutzen. (….)
Bildungsprozesse
Der Erfolg schulischer Ganztagsbetreuung bestimmt sich maßgeblich über pädagogische Konzepte; Modelle der Beteiligung und auch einer zeitlichen Flexibilisierung müssen sich hieran ausrichten: Mehr als jede zweite deutsche Schule macht inzwischen Ganztagsangebote, die allerdings nur von einem Drittel aller Schülerinnen und Schüler genutzt werden. Die aktuelle Debatte verkürzt die Frage nach der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule stark auf Organisationsmodelle, die aber ihrerseits nur den Rahmen für entsprechende pädagogische Zielvorstellungen abgeben können. Es erscheint fraglich, ob mit dem gegenwärtig dominierenden offenen Organisationsmodell, d.h. einer freiwilligen Teilnahme der Schülerinnen und Schüler, die pädagogischen Möglichkeiten von Ganztagsschulen hinreichend ausgeschöpft werden können. (….)
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Gerade bei der Kita-Nutzung zeige sich eine grundlegende Struktuverschiebung in der Gesellschaft:
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Gleichzeitig ist zwischen 2009 und 2013 die ganztägige Betreuung der 2-Jährigen durch die Mütter von 48 auf 39% gesunken. Dies ist auf ihre steigende Bildungsbeteiligung in Tagesbetreuung zurückzuführen und belegt einmal mehr, dass sich mit dem Ausbau der Angebote die Anteile von zu Hause und in Institutionen verbrachter Zeit weiter verschieben.
(aus: Bildung in Deutschland 2014. Bericht S. 46f)
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Die Experten/innen verweisen dabei z.B. auf die deutlich steigende Nutzung langer Betreuungszeiten in den Kitas durch die Eltern:
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Bezogen auf die täglichen Betreuungszeiten zeigt sich bei den unter 3-Jährigen in Westdeutschland eine weitere Verschiebung hin zu längeren Betreuungszeiten. Der Anteil der unter 3-Jährigen, die ganztägig betreut werden, hat sich von 33 auf 43% erhöht (Tab. C3-7web). In Ostdeutschland ist dieser Anteil sogar von 62 auf 75% angestiegen.
Bei Kindern in “Risikolagen” (“erwerbsloses, armutsgefährdetes oder bildungsfernes Elternhaus” – Anmerkung 1) sehen die Bildungsexperten das Mobilisierungspotential noch nicht ausgeschöpft. Das gelte insbesondere für Kinder aus Einwandererfamilien. Ihre Nutzung der Kindertagesstätten sei zwischen 2009 und 2013 zwar deutlich gestiegen, aber langsamer als bei Kindern ohne Migrationshintergrund:
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Die Bildungsbeteiligungsquote von Kindern mit Migrationshintergrund in Tageseinrichtungen und Tagespflege liegt 2013 vor der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für 1- und 2-Jährige bei unter 3-Jähri gen um 18 Prozentpunkte niedriger als die Quote der gleichaltrigen Kinder ohne Migrationshintergrund (Tab. C3-4A). Obwohl seit 2009 sowohl die Bildungsbeteiligung der Kinder mit als auch ohne Migrationshintergrund gestiegen ist, hat sich die Differenz zwischen beiden Gruppen seither sogar erhöht.
…und die Chancengerechtigkeit nicht zugenommen. Dafür sei es jedoch auch notwendig, nach dem quantitativen Ausbau der letzten Jahre jetzt deutliche Qualitätsverbesserungen anzugehen:
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Eine Konsequenz könnte darin bestehen, dass auch nach der Phase des Ausbaus der frühzeitige und niedrigschwellige Zugang aller Kinder ein wichtiges Thema bleibt. Allerdings müssen dann auch die Angebote dahin gehend besser werden, dass sie Kindern mit ungünstigen Voraussetzungen eine hohe Qualität der Betreuung und Förderung bieten. Dabei kann auch eine konsequentere Zusammenarbeit der Kindertagesbetreuung mit den Eltern zur Reduzierung sozialer Ungleichheit beitragen.
Insgesamt dürften nach einer mehrjährigen Konzentration auf den quantitativen Ausbau künftig wieder stärker Fragen der Qualitätsentwicklung und von einheitlichen Standards an Beachtung gewinnen. Hierbei geht es nicht nur darum, dem elterlichen Bedarf an Betreuung gerecht zu werden, sondern zugleich den wichtiger gewordenen Bildungsauftrag der Kindertagesbetreuung möglichst gut umzusetzen
(aus: ebda. S. 66)
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Dennoch, so räumt die Expertengruppe schließlich ein, gäbe es ein strukturelles Problem, daß die Erwartung an eine deutliche Verbesserung der Chancengleichheit auf diesem Weg stark dämpfe: Die Eltern bleiben nicht nur die erste, sondern auch die maßgeblich prägende Erziehungs- und Bildungsinstanz für ihre Kinder!:
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So muss der Umstand noch stärker bedacht werden, dass sich bisher die Erwartungen an gleiche Zugänge zu den Angeboten ebenso wenig erfüllt haben wie die Erwartungen daran, dass diese fehlende Lerngelegenheiten in der Familie ausgleichen können. Die im Bildungsbericht aufgenommenen Daten bestätigen die überragende Bedeutung der Familie für Bildungsverläufe von Kindern.
Konsequenzen und politische Empfehlungen aus dieser grundlegenden Einsicht sucht man jedoch im Bildungsbericht 2014 (nahezu) vergeblich – bis auf eine einmalige, beiläufige Erwähnung in der 357-seitigen Fleißarbeit:
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….müssen dann auch die Angebote dahin gehend besser werden, dass sie Kindern mit ungünstigen Voraussetzungen eine hohe Qualität der Betreuung und Förderung bieten. Dabei kann auch eine konsequentere Zusammenarbeit der Kindertagesbetreuung mit den Eltern zur Reduzierung sozialer Ungleichheit beitragen.