Immer längere Rentenlaufzeiten machen Angst
– und politische Lösungskonzepte haben mit weiter wachsenden Schwierigkeiten zu kämpfen.
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HBF-AKTUELL Tübingen 11. Juli 2014, erstellt 18:14 Uhr, Stand 21:36 Uhr
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Die Rentenlaufzeiten haben sich seit 1960 praktisch verdoppelt und dürften sich trotz der einschneidenden Korrekturen bei der RV seit 2001 bis 2060 weiter erhöhen (HPL). Hinzu kommen die neuen Leistungsversprechen der schwarz-roten Bundesregierung (HPL). Dennoch geht die übergroße Mehrheit der Bevölkerung laut einer aktuellen Umfrage davon aus, im Alter deutlich schlechter dazustehen als die heutigen Ruheständler (HPL). Tatsächlich haben die politischen (Beruhigungs)Rezepte von schnellerer Bildung für den Nachwuchs, über höhere Erwerbstätigkeit, mehr Einwanderung bis zum Ausbau der privaten Altersvorsorge (vgl. HBF-Themen-Archiv) allerdings (schon jetzt) mit erheblichen “Umsetzungsschwierigkeiten” zu kämpfen, wie eine Umschau auf das tagesaktuelle Geschehen zeigt (HPL).
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HBF-VOLLTEXT
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Die Rentenlaufzeiten haben sich seit 1960 praktisch verdoppelt:
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Faz.net 10.07.14
Seit den sechziger Jahren
Es gibt doppelt so lang Rente
(…)
Weil die Bundesbürger immer länger leben, bekommen sie auch immer länger Rente. Seit dem Jahr 1960 hat sich die durchschnittliche Rentenbezugsdauer in etwa verdoppelt – für Frauen etwas mehr, für Männer etwas weniger. Und dies, obwohl die Möglichkeiten für einen vorgezogenen Ruhestand in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt eingeschränkt wurden.
Im vergangenen Jahr verstorbene Frauen bezogen im Durchschnitt 21,5 Jahre lang Rente. 1960 waren es noch 10,6 Jahre gewesen. Männer konnten ihre Rente zuletzt 17 Jahre genießen, 1960 waren es erst 9,6 Jahre. Für das Jahr 1980 lauten die Vergleichszahlen 13,8 Jahre (Frauen) und 11 Jahre (Männer). Diese Zahlen wurden am Mittwoch während eines Presseseminars der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin bekannt gegeben. (…)
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Trotz der einschneidenden Korrekturen bei der Rentenversicherung seit 2001 (Absenkung des Rentenniveaus und Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre) könnten sich die Bezugszeiten bis 2060 weiter erhöhen: Dank der steigenden Lebenserwartung bei Frauen auf rund 23,5 Jahre und bei Männern auf ca 20 Jahre (Anmerkung 1):
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Hinzu kommen die neuen Leistungsversprechen der schwarz-roten Bundesregierung, die sogar noch umfassender ausfallen könnten, als bisher geplant, wenn die neuen juristischen Einwände zutreffen würden:
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Frankfurter Rundschau Online 09. Juli 2014 / Print 10.07.14
Rente mit 63
Verfassungsbedenken gegen Rente mit 63
Juristen sehen bei der Rente mit 63 einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Doch die Bundesregierung verweist auf eine intensive rechtliche Prüfung des Gesetzes und zeigt sich trotzig.
Von Karl Doemens
(….) hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages akkurat alle Argumente zur Ausnahmeregelung von der Rente mit 63 zusammengetragen. Sorgsam werden sie abgewogen. Doch das Urteil ist eindeutig: „Mithin bestehen schwerwiegende Bedenken an der Angemessenheit der Ungleichbehandlung“, schreiben die Beamten in ihrer Expertise, die der Frankfurter Rundschau vorliegt: Der entsprechende Paragraf des Gesetzes „dürfte wohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs 1 GG (Grundgesetz) verstoßen“. (….)
Worum geht es? Mit den Stimmen von Union und SPD hat der Bundestag beschlossen, dass Arbeitnehmer nach 45 Wartejahren mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können. Zu den Wartejahren zählen generell auch Zeiten des Arbeitslosengeld-I-Bezuges. Um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer nach Absprache mit ihrem Betrieb gezielt schon mit 61 in die Arbeitslosigkeit und dann in die Rente wechseln, war ein Stichtag ins Gesetz gekommen: Zwei Jahre vor Rentenbeginn werden Arbeitslosenzeiten nicht berücksichtigt – es sei denn, die Erwerbslosigkeit ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt. (….)
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Dennoch geht die übergroße Mehrheit der Bevölkerung laut einer aktuellen Umfrage davon aus, im Alter deutlich schlechter dazustehen als die heutigen Ruheständler:
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Handelsblatt vom 11.07.2014 Geldanlage
Die Rente ist unsicher
Studie: Deutsche glauben, dass es künftigen Ruheständlern schlechter gehen wird.
(….) Der niederländische Versicherer Aegon hat in einer interessanten Studie analysiert, wie wir tatsächlich zur Rente stehen. Die beiden zentralen Ergebnisse: Erstens, sind wir davon überzeugt, dass es künftigen Rentnergenerationen schlechter gehen wird. Zweitens, sind wir ziemlich stümperhaft darin, uns selbst abzusichern.
Dem Handelsblatt liegt die Studie vor, am kommenden Montag soll sie veröffentlicht werden. Das Unternehmen hat nsgesamt 16 000 Erwerbstätige und Rentner aus 15 Ländern befragt, davon eintausend aus Deutschland. (….)
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Tatsächlich haben die politischen (Beruhigungs)Rezepte von schnellerer Bildung für den Nachwuchs, über höhere Erwerbstätigkeit, mehr Einwanderung bis zum Ausbau der privaten Altersvorsorge (vgl. HBF-Themen-Archiv) allerdings (schon jetzt) mit erheblichen “Umsetzungsschwierigkeiten” zu kämpfen, wie eine Umschau auf das tagesaktuelle Geschehen zeigt:
Die Erhöhung des Lerntempos durch eine verkürzte Gymnasialzeit (G8/Turbogymnasium), um die Jugend früher zu Beitragsszahlern zu machen, gerät durch aktive Eltern immer stärker unter Druck:
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Hamburger Abendblatt 08.07.14, 06:27
G9 oder G8
Nächster Schritt zum Volksbegehren in Hamburg
G9-Initiative legt Abstimmungstext vor. Eltern sollen sich vor Wechsel aufs Gymnasium auf acht oder neun Jahre festlegen. Alle fünf Fraktionen der Bürgerschaft sind gegen die Rückkehr zu G9 an den Gymnasien.
Von Peter Ulrich Meyer
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 08.07.2014
ACHT ODER NEUN JAHRE GYMNASIUM Noch bis 16. Juli läuft das Volksbegehren zur Wahlfreiheit zwischen dem achtjährigen (G 8) und dem neunjährigen (G 9) Gymnasium. Käme es im Anschluss zu einem erfolgreichen Volksentscheid, müssten Städte wie München dringend neuen Platz schaffen. Doch viele hätten lieber eine Reform des G 8 statt eine Rückkehr zum früheren System
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F.A.Z., Donnerstag den 03.07.2014 Rhein-Main • Hessen 41
Halbe-halbe bei Rückkehr zu G9
„Mischmodell“ oft nicht möglich / Gesamtschulen verlieren
ler. WIESBADEN. Knapp die Hälfte der rund 50 Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen mit laufenden G8-Klassen in der fünften, sechsten und siebten Jahrgangsstufe, die eine Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit anstreben, werden dieses Ziel wohl erreichen. Das geht nach Angaben von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) aus einer Befragung der Schulen durch sein Ministerium hervor.
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Auch der Versuch, jüngere (Hoch)Schulabsolventen durch einen früheren Schuleintritt zu gewinnen, wird von Eltern immer häufiger unterlaufen:
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Tagesspiegel 30.06.2014 21:28 Uhr
Bildung
BERLINER ELTERN REBELLIEREN GEGEN DIE FRÜHEINSCHULUNG
Über 4800 Familien stellen Anträge gegen die Früheinschulung ihrer Kinder – so viele wie noch nie. CDU und Grüne wollen spätere Schulpflicht. Auch Neuköllns SPD-Bildungsstadträtin kritisiert das Verfahren.
von Susanne Vieth-Entus
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Kaum erfolgversprechender scheint die Polit-Formel “Gute Rente durch eigene Erwerbsarbeit“
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Hamburger Abendblatt 11.07.14, 06:17
Luftfahrt
FLUGZEUGBAUER AIRBUS DEGRADIERT LEIHARBEITER
Airbus schließt Werkverträge. Die Folgen: Fünf Wochenstunden mehr und bis zu 2000 Euro weniger im Monat. Nach Abendblatt-Informationen sollen bis Jahresende 1200 von 2800 Leihkräften in Hamburg abgebaut werden.
Von Volker Mester
Ein betroffener Leiharbeiter erzählt dem Abendblatt seine Geschichte: Um bei seinem Arbeitgeber keine Nachteile zu haben, möchte er anonym bleiben
(…)
(….) Dabei ist Bernbach nach seiner Beobachtung keineswegs der einzige bisherige Zeitarbeiter, der jetzt in einen Werkvertrag überwechselt. “Ein Kollege, der alleinstehend ist und kleine Kinder hat, weiß nun nicht mehr, wie er unter diesen Bedingungen sein Haus abbezahlen soll”, erzählt Bernbach. “Menschlich gesehen ist das ganz furchtbar.”
Die erheblich schlechteren Konditionen beim Gehalt und der Arbeitszeit ergäben sich aus der heftigen Konkurrenz unter den Airbus-Zulieferern: “Alle versuchen sich mit den Preisen gegenseitig zu unterbieten. Bei den Werkverträgen wird gefeilscht, was das Zeug hält.” (…) Der Gefahr des Jobverlusts wollte sich Bernbach nicht aussetzen. Er ist Familienvater, sein Gehalt wird benötigt. (….)
Etwa jeder vierte oder fünfte der nun abgemeldeten Zeitarbeiter wechsele in einen Werkvertrag, schätzt Bernbach. Dies genüge jedoch nicht, um den Personalbedarf für die anstehenden Aufgaben bei Airbus zu decken. Aufgefüllt würden die Kapazitäten von den Werkvertragsanbietern durch externes Personal, häufig aus Indien und Rumänien. Es dürfte aber mindestens ein Jahr dauern, bis neue Mitarbeiter voll einsatzfähig seien, so Bernbach. In der Zwischenzeit müsse man Qualitätsprobleme durch den Mangel an fertig eingearbeiteten Beschäftigten befürchten. (…)
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Berliner Morgenpost 11.07.14, 07:20
Streit um Tariflöhne
Berliner Krankenpfleger attackieren AOK-Chef auf Facebook
Seit Jahren streiten Pflegeanbieter und AOK Nordost um die Vergütung von Pflegeleistungen. Nun haben Diakonie und Caritas eine Kampagne gestartet: Bürger sollen den AOK-Chef via Facebook kontaktieren.
Von Joachim Fahrun
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Die Strategie, durch Einwanderung den einheimischen Arbeitskräftemangel abzumildern, ist ebenfalls mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten verbunden, wie das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtswidrigkeit des 2007 eingeführten Deutschtests beim Ehegattennachzug:
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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 10.07.2014
Nachweis über Deutschkenntnisse bei Ehegattennachzug von türkischen Staatsangehörigen verstößt gegen das Unionsrecht
(…) Das 2007 eingeführte Spracherfordernis ist nicht mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union. (…)
Ein solches Spracherfordernis erschwert nämlich eine Familienzusammenführung, indem es die Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme des Ehegatten eines türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zu den Vorschriften verschärft, die galten, als die Stillhalteklausel in Kraft trat. Eine solche Regelung stellt eine neue Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die türkischen Staatsangehörigen im Sinne dieser Klausel dar. (…)
Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Familienzusammenführung ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger ist, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesserung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zur Förderung ihrer Integration in diesen Staaten beiträgt. (….)
(…) auch wenn man davon ausgeht, dass die von der deutschen Regierung angeführten Gründe (die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen und die Förderung der Integration) zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, eine nationale Regelung wie das fragliche Spracherfordernis über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der fehlende Nachweis des Erwerbs hinreichender Sprachkenntnisse automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung führt, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
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Schließlich häufen sich auch bei der politisch geförderten Alternative zur unsicheren Sozialrente, der Kapitalrente, offenkundig die Enttäuschungen und Risiken:
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handelsblatt.com 11.07.2014, 12:01 Uhr
Gesetz
Bundesrat billigt Reform der Lebensversicherung
Der Bundesrat hat das von Union und SPD vereinbarte Lebensversicherungskonzept gebilligt. Mit dem Gesetz sollen die Renditezusagen der Branche an die Kunden abgesichert werden. Das führt für die Versicherer zu Problemen.
(…) Berlin. Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause der von Union und SPD vereinbarten Lebensversicherungsreform zugestimmt. Die Länderkammer billigte am Freitag das bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz, mit dem die Renditezusagen der Branche an ihre Kunden besser abgesichert werden sollen. Wegen der historisch niedrigen Zinsen für Staatsanleihen fällt es den Versicherern zunehmend schwerer, die Erträge zu erwirtschaften, die sie zur Erfüllung ihrer Versprechen an die Kunden benötigen.
Die Bundesbank hatte vergangenes Jahr mit einem Stresstest Alarm geschlagen, wonach bis 2023 wegen der niedrigen Zinsen 32 von 85 deutschen Lebensversicherern die gesetzlichen Eigenkapital-Vorschriften nicht mehr erfüllen könnten. Diese Zahl verringert sich der Bundesbank zufolge mit der Reform auf 13 Versicherer.
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Auch bei der von Finanzexperten gern empfohlenen, lukrativeren Alternative, den Aktien, schwindet die monatelange Euphorie rasant:
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Die Welt 11.07.14
Vorboten eines neuen Börsen-Crashs?
Lange herrschte am Finanzmarkt gespenstische Ruhe. Doch nun gibt es plötzlich ernsthafte Anzeichen für heftige Turbulenzen
Von Frank Stocker
Lange war es ruhig, gespenstisch ruhig. Die Aktienkurse an den Börsen schwankten in den vergangenen Monaten nur noch minimal, und wenn sie sich bewegten, dann nach oben. Am Markt für Anleihen sah es nicht anders aus. Und selbst beim Ölpreis tat sich trotz neuer Krisen in Nahost zuletzt kaum etwas.
(..) Schluss mit lustig. Das Wort “Risiko” scheint plötzlich wieder zum Sprachschatz der Investoren zu gehören, und schon fragt man sich bei der Deutschen Bank ängstlich, “ob die Wolken am Horizont lediglich Vorboten eines Spätsommergewitters oder aber eines möglicherweise sehr viel schwereren Sturms sind.”
Denn selbst die US-Notenbank (Fed) zeigte sich bei ihrer letzten Sitzung besorgt. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses irritierte dem nun veröffentlichten Sitzungsprotokoll zufolge, dass die Anleger immer mehr Risiken eingehen und zu selbstgefällig werden. (….)
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Welt Online 11.07.14, 16:05
Festgeld
DEUTSCHE SPARER SCHAUEN BESORGT NACH PORTUGAL
Zu den Kunden der in die Schlagzeilen geratenen Großbank Espirito Santo gehören auch deutsche Sparer. Ein hoher Festgeldzins hatte sie nach Portugal gelockt – wie schon zuvor nach Bulgarien.
Von Karsten Seibel
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Zum Thema siehe auch:
HBF-Themen-Archiv “Alterung / Reaktionen”
HBF-Themen-Archiv “Kindererziehung in der Rentenversicherung
Populäre Irrtümer zur Demographie: Warum Deutschland seinen Kinderschwund nicht stoppt – SWR2-Vortrag von K. Petropulos, 03. Oktober 2013
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1) Eigene Berechnungen des HBF. Dabei angenommenes Renteneintrittsalter von 67 Jahren.