„Betreuungsgeld-Studie“ als polit-mediales Debakel:
FAZ zerlegt pseudowissenschaftliche Auftragsarbeit des Deutschen Jugendinstituts (DJI)
/ Medienkarawane zieht (noch) ungerührt weiter
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HBF-AKTUELL Tübingen 30. Juli 2014, erstellt 17:45 Uhr, Stand 31.07.14, 07:38 Uhr
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Das Betreuungsgeld erfüllt die schlimmsten Befürchtungen und muß deshalb sofort abgeschafft werden! – so das nahezu einhellige polit-mediale Echo auf eine neue Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI, München) und der Universität Dortmund am Wochenanfang (vgl. HBF 28.07.14). 54 Prozent der wenig gebildeten Eltern, so das zentrale Ergebnis, würden wegen des Betreuungsgelds keine “Krippe” nutzen und deshalb die Bildungschancen ihrer Kinder schmälern.
Das Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit (HBF) hatte bereits im Juni die wissenschaftliche Qualität dieses Ergebnisses massiv in Frage gestellt, als DER SPIEGEL erstmals über diese Untersuchung berichtete (vgl. HBF-Infodienst 13.06.14). Am Montag Nachmittag haben die Forscher ihre “Schreckenszahl” erheblich korrigieren müssen (HPL) und einen schweren Berechnungsfehler eingeräumt (HPL), der auch den sogenannten Qualitätsmedien komplett entgangen war (HPL). Obwohl sie zuvor über die DJI-Veröffentlichung breit berichtet und das Betreuungsgeld in ihren Kommentaren nahezu einhellig als krasse politische Fehlentscheidung verworfen haben, war von diesem peinlichen Vorgang kaum noch etwas zu erfahren (HPL).
Damit bestätigten die Medien exemplarisch die grundsätzliche Kritik an ihrer Arbeit, die Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, noch am Montag Mittag in einem Rundfunk-Interview geäußert hatte:
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Sell kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Medien als unzureichend: “Überall liest man ja die gleiche Meldung; man muss den Eindruck haben, hier haben viele voneinander abgeschrieben”, sagte er. “Wir haben leider zu viele Studien, wo dann alle drüber berichten, und zwei, drei Tage später, wenn dann die ersten kritischen Fragen kommen, ja dann ist schon wieder ein neues Thema der Aufmerksamkeitsökonomie dran.”
(aus: HPL)
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Dieses Problem ist durchaus grundsätzlicher Natur (HPL), aber nicht alternativlos, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) heute vorführt: Sie hatte zwar auch am Montag mit dem gleichen Tenor wie die anderen (Leit)Medien berichtet (HPL), aber im Gegensatz zu ihnen, stellt sie die Studie heute kritisch auf den Prüfstand. Die Redaktion arbeitet nicht nur das methodisch fragwürdige Vorgehen des DJI und der Uni Dortmund präzis heraus (HPL), sondern sieht klare Indizien für eine bereitwillige politische Instrumentalisierung der Forscher im politischen Meinungskampf (HPL). Dafür spricht auch das Verhalten im Umgang mit der Medienöffentlichkeit (HPL).
Diese Distanzlosigkeit zwischen Wissenschaft und Politik/Regierung(en) bestätigt übrigens gerade auch die aktuelle Auswertung zur Auseinandersetzung um den rechtskräftig bestätigten Betrug der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan bei ihrer Doktorarbeit (HPL).
Für die auflagengeschwächte Presse und ihren Umgang mit der “Betreuungsgeldstudie” gibt es zudem noch eine weitere, grundsätzliche Lektion, die ein kritischer Leserbrief an die Redaktion der Süddeutschen Zeitung so formuliert:
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Datum: 2014-07-28 22:47
Betreff: Bitte erst einmal Mathe-Nachhilfe nehmen, bevor Sie wieder über “Geld statt frühkindliche Bildung” schreiben
(….)
Sehr geehrte Frau (….)
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mit Interesse habe ich Ihren Artikel über “Geld statt frühkindliche Bildung” in der SZ vom 28.07.2014 gelesen. (….) Und als Mathematiker muss ich echt sagen,…
Aber man muss Ihnen wahrscheinlich zu Gute halten, dass nicht böse Absicht, sondern lediglich Ihre Abneigung gegen das Betreuungsgeld gepaart mit mathematischer Unfähigkeiten zu folgendem Satz geführt hat (….)
Ich könnte Sie natürlich bitten, dass Sie in der Ausgabe der SZ von übermorgen eine Richtigstellung bringen, aber ich habe inzwischen genügend Erfahrung mit Ihrer Zeitung um zu wissen, dass Sie zwar von Politikern Ehrlichkeit und Transparenz fordern, aber über eigene Fehler gerne hinwegsehen. (….)
In 14 Tagen halte ich übrigens wieder einen Vortrag zum Thema “Informiert oder deformiert?” vor etwa 100 Jugendlichen. (…..)
Nach meinen Informationen ist die Auflage der SZ vom 2Q13 zum 2Q14 um -5,0% zurückgegangen. Möglicherweise liegt es ja daran, dass der normale Leser lediglich informiert werden will und sich seine eigene Meinung bilden möchte und nicht eingefärbte Artikel wie den obigen lesen möchte. Vielleicht denken Sie mal darüber nach. Letztendlich geht es um Ihre Arbeitsplätze.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Horn
München
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siehe dazu auch:
Deutschlandfunk Markt und Medien / Beitrag vom 10.05.2014
Ukraine-Berichterstattung: REBELLION DER LESER
Von David Goeßmann
(….) Kritische Stimmen zum Vorgehen der ukrainischen Übergangsregierung in der Ostukraine, zur eskalierenden Rolle des Westens und zu den ökonomischen und militärischen Interessen von USA und EU bleiben Mangelware.(…)
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HBF-VOLLTEXT
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Das Betreuungsgeld erfüllt die schlimmsten Befürchtungen und muß deshalb sofort abgeschafft werden! – so das nahezu einhellige polit-mediale Echo auf eine neue Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI, München) und der Universität Dortmund am Wochenanfang (vgl. HBF 28.07.14). 54 Prozent der wenig gebildeten Eltern, so das zentrale Ergebnis, würden wegen des Betreuungsgelds keine “Krippe” nutzen und deshalb die Bildungschancen ihrer Kinder schmälern.
Das Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit (HBF) hatte bereits im Juni die wissenschaftliche Qualität dieses Ergebnisses massiv in Frage gestellt, als DER SPIEGEL erstmals über diese Untersuchung berichtete (vgl. HBF-Infodienst 13.06.14). Am Montag Nachmittag haben die Forscher ihre “Schreckenszahl” auf 24 (!) Prozent korrigieren müssen und einen schweren Berechnungsfehler eingeräumt, der auch den sogenannten Qualitätsmedien komplett entgangen war:
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Tagesspiegel 28.07.2014 19:20 Uhr
Streit um das Betreuungsgeld
DIE TÜCKEN DER STATISTIK
In der am Wochenende verbreiteten Vorabfassung der Studie zum Betreuungsgeld stand eine falsche Zahl. Offenbar hat sich jemand in den Grundrechenarten verirrt. Die Aussage ist zwar die gleiche, nur ist sie weniger spektakulär.
von Robert Birnbaum
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Hat da jemand Äpfel mit Birnen addiert?
Die 54 Prozent fanden republikweit rasant Verbreitung. Merkwürdigerweise taucht sie in den Tabellen der Forscher nirgends auf. Dort standen allerdings zwei andere Zahlen: 31,2 Prozent der Befragten ohne Schulabschluss nannten das Geld als ihr Hauptmotiv, das Kind daheim zu erziehen, und 22,6 Prozent der Hauptschul-Absolventen.
Die beiden Werte zusammenaddiert ergeben ungefähr 54. Nun muss man allerdings nicht Mathematik studiert haben, um zu erkennen, dass das auf gar keinen Fall geht: Jedes dritte Paar ohne Schulabschluss und jedes vierte Hauptschüler-Paar ergibt zusammengenommen natürlich nicht „Jeder zweite ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulzeugnis“. Allenfalls zulässig wäre ein gemeinsamer Durchschnitt aus 31,2 und 22,6 – macht 26,9 Prozent. Hatte sich da also jemand hochnotpeinlich in den Grundrechenarten verirrt? Am Montag Nachmittag kam die stillschweigende Antwort: Ja.
Die Forscher stellen ihre Ergebnisse ins Internet
Als Reaktion auf die erregte Polit-Debatte, die ihre Forschung ausgelöst hatte, stellte das Dortmunder Institut den Betreuungsgeld-Abschnitt seiner – thematisch sehr viel umfassenderen Untersuchung, die vor allem den Betreuuungsbedarf in den Kommunen ermitteln sollte – für jedermann nachlesbar ins Internet. Schnell auf Seite 134 nachgeblättert – die ominöse 54 ist verschwunden. Stattdessen steht dort nun: „Von den Familien, in denen kein Elternteil einen Bildungsabschluss besitzt, stimmen 31 Prozent der Aussage zu, das Betreuungsgeld sei Grund für die Betreuungsentscheidung gewesen; bei einem Hauptschulabschluss sind es 23 Prozent. (…)
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Obwohl sie zuvor über die DJI-Veröffentlichung breit berichtet und das Betreuungsgeld in ihren Kommentaren nahezu einhellig als krasse politische Fehlentscheidung verworfen haben, war von diesem peinlichen Vorgang kaum noch etwas zu erfahren – abgesehen vom oben zitierten Tagesspiegel, der Süddeutschen Zeitung (30.07.14) oder FAZ (30.07.14).
Damit bestätigten die Medien exemplarisch die grundsätzliche Kritik an ihrer Arbeit, die Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, noch am Montag Mittag in einem Rundfunk-Interview geäußert hatte:
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Sell kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Medien als unzureichend: “Überall liest man ja die gleiche Meldung; man muss den Eindruck haben, hier haben viele voneinander abgeschrieben”, sagte er. “Wir haben leider zu viele Studien, wo dann alle drüber berichten, und zwei, drei Tage später, wenn dann die ersten kritischen Fragen kommen, ja dann ist schon wieder ein neues Thema der Aufmerksamkeitsökonomie dran.”
(aus: Betreuungsgeld: ES GIBT “KEINEN ZUGANG ZU DIESER ANGEBLICH NEUEN STUDIE”. Interview mit Stefan Sell. DeutschlandRadio Kultur, 28. Juli 2014, 12:37 Uhr
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Dieses Problem ist durchaus grundsätzlicher Natur….
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WDR5 Stand: 28.07.2014, 16.22 Uhr
Rezension –
“Present Shock”: Ein Buch zum Bremsen
“Unsere Gesellschaft konzentriert sich auf den gegenwärtigen Moment. Wir erleben alles im Liveticker, in Echtzeit, always-on. Auch wenn neue Technologien und ein veränderter Lebensstil dafür gesorgt haben, dass wir alles immer schneller tun: Es geht nicht nur um Beschleunigung. Es geht um den Bedeutungsverlust von allem, was nicht gegenwärtig ist – weil der Ansturm von allem, was genau jetzt passiert, so gewaltig ist.”
Von Dina Netz
(…)
Er stellt zum Beispiel den „narrativen Kollaps“ fest, das Ende einer erzählerischen Ordnung unseres Lebens. Rushkoff macht dafür vor allem die Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich, die den Glauben an eine immer bessere Zukunft zerstörte, und unsere interaktive Medienwelt, in der Geschichten nicht mehr ordentlich von einem Anfang zu einem Ende verlaufen. Aber ein Mensch, der ausschließlich in der Gegenwart lebt, verliert den Halt, den ihm das Wissen um die Vergangenheit und eine Zukunftsperspektive bieten. Panik ist eine mögliche Reaktion, Sinnsuche oder „Digiphrenie“, wie Rushkoff die Wirkung neuer Kommunikationsmittel nennt: “Die digitalen Technologien wirken auf die ziellos Umherdriftenden mit ihren pausenlosen Impulsen wie eine kräftige Dosis Adrenalin oder ein doppelter Espresso: Wir wissen zwar nicht mehr, wo es langgeht, aber wir kommen viel schneller voran. Kann ja sein, dass wir mitten in einer existenziellen Krise stecken, aber wir sind viel zu beschäftigt, um es zu bemerken.”
Douglas Rushkoff beschreibt die Auswirkungen des Gegenwartsschocks nicht nur auf das Individuum, sondern auch auf die Gesellschaft, auf Wirtschaft und Politik. Und er ruft allen Bereichen zu: “Drückt auf Pause. Wir haben Zeit.“
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…aber nicht alternativlos, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) heute vorführt: Sie hatte zwar auch am Montag mit dem gleichen Tenor wie die anderen (Leit)Medien berichtet:
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F.A.Z., Montag den 28.07.2014 Wirtschaft 19
Betreuungsgeld schadet der Chancengleichheit
Bildungsferne Familien entscheiden sich wegen der Förderung gegen die Kita
von Henrike Roßbach, Berlin
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….aber im Gegensatz zu ihnen, stellt sie die Studie heute kritisch auf den Prüfstand. Die Redaktion arbeitet nicht nur das methodisch fragwürdige Vorgehen des DJI und der Uni Dortmund präzis heraus…
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F.A.Z., Mittwoch den 30.07.2014 Politik 5
DIE BETREUUNGSGELD-ENTE
Auch „Bildungsferne“ bevorzugen Kitas
Von Uta Rasche
FRANKFURT, 29. Juli. Eine vom Familienministerium mitfinanzierte Studie, eine tendenziöse Formulierung des Ergebnisses und eine Familienministerin, die klar zu erkennen gibt, dass sie Gegnerin des Betreuungsgeldes ist, aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu abwarten will – schon ist eine tagelange, hitzige Debatte angezettelt. Sie zeigt, wie sehr das Betreuungsgeld noch immer für ideologiebesetzte familienpolitische Auseinandersetzungen sogar innerhalb der Koalition taugt. (…)
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F.A.Z., Mittwoch den 30.07.2014 Feuilleton 9
Aus einem Guss
HERDPRÄMIENFORSCHUNG: MIGRANTEN BADEN ES AUS
Christian Geyer
(…) Selbst in den Fällen, in denen zu Hause gar nicht Deutsch gesprochen wird, braucht eine Karriere in Deutschland jedenfalls nicht deshalb zu scheitern, weil man erst im Kindergarten, vom vierten Lebensjahr an, mit der deutschen Sprache in näheren Kontakt kam. Der Mythos „frühkindliche Bildung“ gehört demontiert! Zumal er wissenschaftlich hoch umstritten ist. (….)
(…) Schaut man sich jedoch die dem Ergebnis zugrundeliegende Befragung an, so fällt die Alternativlosigkeit auf, mit der hier nach dem Betreuungsgeld als dem „Anlass“ gefragt wird für den Fall, dass das Kind nicht in eine Kita gegeben werden soll. Die Befragung fand obendrein vor Einführung des Betreuungsgeldes statt und konnte also nur die Pläne, nicht das tatsächliche Verhalten der Eltern erheben. (…) Warum aber gibt man in der Frage nicht auch Antwortmöglichkeiten vor, die explizit andere Gründe als das Geld zum Ankreuzen vorsehen? (…) Der selektive Fragemodus verzerrt die Ergebnisse im Ganzen. Gerade Eltern mit Migrationshintergrund, die des Deutschen vielleicht nicht so mächtig sind, können hier leicht in die Irre geführt werden (….) Wie viele Befragte haben sich wohl gedacht: lieber eine Version ankreuzen, die nicht ganz zutreffend ist (aber eben auch nicht völlig danebenliegt), als gar keine inhaltliche Aussage in einer Sache zu machen, die mich doch betrifft. Wir haben hier ein Stück Tendenzforschung, das die schlimmsten Befürchtungen wenn nicht erfüllt, so doch übertrifft.
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siehe dazu auch:
Familien- oder “Krippenbetreuung”: Betreuungsgeld nur einer von vielen Entscheidungsfaktoren für Eltern! – Deutsches Jugendinstitut (DJI) veröffentlicht unter dem Druck der polit-medialen Debatte “Betreuungsgeldstudie” (HBF 28.07.14)
- VIEL BETREUUNG – VIELE BILDUNGSVERLIERER. Ostdeutschland Spitzenreiter bei Schulabbrechern. Familienbund Bayern Aktuelle Pressemitteilungen 29. Juli 2014
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PS: Die Studienautorin/en räumen im übrigen selbst ein, daß ihre Studie nicht repräsentativ ist:
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Die Auswahl der Kommunen folgte keiner systematischen Stichprobenziehung. Vielmehr konnten sich Kommunen, welche Interesse an einer Elternbefragung hatten, für die Teilnahme melden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Kommunen ein repräsentatives Abbild aller Kommunen bzw. Landkreise in Deutschland darstellen. In Kooperation mit diesen 93 kommunalen Jugendämtern konnten im Sommer 2013 postalische Befragungen zu den Betreuungsbedarfen von Eltern unter dreijähriger Kinder durchgeführt werden.
(aus: Auszug aus dem Abschlussbericht: Kommunale Bedarfserhebungen. Der regionalspezifische Betreuungsbedarf U3 und seine Bedingungsfaktoren. Deutsches Jugendinstitut / Technische Universität Dortmund, S. 15)
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….und sieht klare Indizien für eine bereitwillige politische Instrumentalisierung der Forscher im politischen Meinungskampf:
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(…) Die Familienministerin Manuela (….) Studie in Auftrag gegeben, die unter anderem die Effekte des Betreuungsgeldes erforschen sollte. Der Einfachheit halber ging dieser Auftrag gleich an eine aus den Geldtöpfen des Familienministeriums geförderte Einrichtung: ans Deutsche Jugendinstitut in München, dessen Direktor Thomas Rauschenbach zugleich Leiter des Forschungsverbunds der TU Darmstadt (richtig: Dortmund – HBF-Korrektur) ist – jener anderen Gliederung „wissenschaftsbasierter Dienstleistung“, die als Koautor der Studie auftritt. Man nennt das auch Forschung aus einem Guss. (…)
Deren Ergebnisse sind noch gar nicht in eine abgestimmte, publizierbare Form gebracht, da werden sie auch schon einer Nachrichtenagentur zugespielt, die dafür sorgt, dass die Nation Gewissheit erhält: (….)
(aus: Herdprämienforschung. FAZ 30.07.14)
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Dafür spricht auch das Verhalten im Umgang mit der Medienöffentlichkeit. So war die Behauptung, daß 54 Prozent der wenig gebildeten Eltern wegen des Betreuungsgelds keine “Krippe” nutzen und deshalb die Bildungschancen ihrer Kinder schmälern würden, bereits seit der SPIEGEL-Veröffentlíchung am 7. Juni 2014 (vgl. HBF 13.06.14) in der Welt. Das DJI und die UNI Dortmund unterließen es aber, in der Öffentlichkeit klazustellen, daß der SPIEGEL sich dabei nur auf einen vorläufigen und noch nicht abgestimmten Studienentwurf stützte. Genauso wenig stellten sie richtig, daß ihre Untersuchung bestenfalls das mögliche Nutzungsverhalten beim Betreuungsgeld ermitteln konnte – nicht jedoch, ob die “frühkindliche Krippenbildung” tatsächlich nachweisbare Effekte für die Chancengerechtigkeit hat.
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Diese Distanzlosigkeit zwischen Wissenschaft und Politik/Regierung(en) bestätigt übrigens gerade auch die aktuelle Auswertung zur Auseinandersetzung um den rechtskräftig bestätigten Betrug der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan bei ihrer Doktorarbeit (HP-PLUS)…
Für die auflagengeschwächte Presse und ihren Umgang mit der “Betreuungsgeldstudie” gibt es zudem noch eine weitere, grundsätzliche Lektion, die ein kritischer Leserbrief an die Redaktion der Süddeutschen Zeitung so formuliert:
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Datum: 2014-07-28 22:47
Betreff: Bitte erst einmal Mathe-Nachhilfe nehmen, bevor Sie wieder über “Geld statt frühkindliche Bildung” schreiben
Empfänger: constanze.bullion@sueddeutsche.de, ulrike.heidenreich@sueddeutsche.de
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Sehr geehrte Frau Bullion, sehr geehrte Frau Heidenreich,
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mit Interesse habe ich Ihren Artikel über “Geld statt frühkindliche Bildung” in der SZ vom 28.07.2014 gelesen. (….) Und als Mathematiker muss ich echt sagen,… (HPL)
Aber man muss Ihnen wahrscheinlich zu Gute halten, dass nicht böse Absicht, sondern lediglich Ihre Abneigung gegen das Betreuungsgeld gepaart mit mathematischer Unfähigkeiten zu folgendem Satz geführt hat:
“Unter den befragten Eltern, die keine Berufsausbildung oder einen Hauptschulabschluss haben, sagten knapp 27 Prozent, das Betreuungsgeld sei der Grund dafür, dass sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken wollten. Bei Eltern mit mittlerer Reife sank der Anteil auf 14 Prozent, bei Akademikern auf acht Prozent.”
Diesen Satz gibt es in der Studie nicht und zwar deshalb, weil er vollkommener Unsinn ist. Einerseits geht es nicht um Kindergärten, sondern Kinderkrippen für die unter 3 Jährigen, aber schlimmer ist, dass der Satz lediglich ihrer kreativen Art mathematische Grundrechenregeln zu umgehen entsprungen ist. (….)
Ich könnte Sie natürlich bitten, dass Sie in der Ausgabe der SZ von übermorgen eine Richtigstellung bringen, aber ich habe inzwischen genügend Erfahrung mit Ihrer Zeitung um zu wissen, dass Sie zwar von Politikern Ehrlichkeit und Transparenz fordern, aber über eigene Fehler gerne hinwegsehen. (….)
In 14 Tagen halte ich übrigens wieder einen Vortrag zum Thema “Informiert oder deformiert?” vor etwa 100 Jugendlichen. Obwohl ich kein Leser der SZ bin, kommt die SZ in meinem Vortrag ziemlich häufig vor. Sie erlauben mir sicherlich, dass ich dieses erschreckend schöne Beispiel in meiner langen Reihe von Medienmanipulationen durch die SZ aufnehme.
Nach meinen Informationen ist die Auflage der SZ vom 2Q13 zum 2Q14 um -5,0% zurückgegangen. Möglicherweise liegt es ja daran, dass der normale Leser lediglich informiert werden will und sich seine eigene Meinung bilden möchte und nicht eingefärbte Artikel wie den obigen lesen möchte. Vielleicht denken Sie mal darüber nach. Letztendlich geht es um Ihre Arbeitsplätze.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Horn
Midgardstr. 9A
81739 München
hornm@web.de
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siehe dazu auch:
Deutschlandfunk Markt und Medien / Beitrag vom 10.05.2014
Ukraine-Berichterstattung: REBELLION DER LESER
Von David Goeßmann
(….) Kritische Stimmen zum Vorgehen der ukrainischen Übergangsregierung in der Ostukraine, zur eskalierenden Rolle des Westens und zu den ökonomischen und militärischen Interessen von USA und EU bleiben Mangelware.(…)
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Wie weit der mediale Mainstream von der Wirklichkeit im Lande entfernt ist, darüber geben nicht nur fundierte Leserzuschriften Auskunft, sondern auch lebensnahem Berichte in der Regionalpressse:
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From: MANFRED SCHREIBER, Sent: Tuesday, July 29, 2014 12:01 AM
To: Badische Zeitung
Subject: Leserbrief zum Tagesspiegel der Badischen Zeitung vom 28.07.2014 über DJI Studie zum Betreuungsgeld
Manfred Schreiber
Am Heidengraben 5
D-79199 Kirchzarten
Tel 07661 5579
Guten Tag,
Hat sich in einem bestimmten Teil der Medienwelt erst einmal ein bestimmtes Weltbild gefestigt, so stürzt sich dieser auf jede Meldung, die dieses Weltbild zu bestätigen scheint. So auch hier bei der Frage des Betreuungsgeldes, um das sich linke mit konservativen Milieus wie Hunde um einen Knochen balgen. Die BZ macht da keine Ausnahme, schwimmt im Kielwasser von nach links orientierter Medien wie Spiegel, Stern und TAZ mit.
Meine Erfahrung stützt sich nicht auf Studien, sondern Beobachtungen, die ich selbst als Großvater, der seine Enkelkinder zur Kita bringt, in Kitas habe machen können. Kitas für 1 bis 3 jährige Kinder können eine schöne Sache sein. Der Begriff Bildung dafür halte ich aber für reichlich hoch gegriffen, denn dort wird noch kein Englisch oder Mathematik gelernt und wer meint, auch Buddeln in der Sandkiste oder Schaukeln und Klettern führt zum späteren Wohlstand Deutschlands, kann junge Mütter (und Väter oder Großeltern) dabei auch auf dem Spielplatz beobachten. Aber kleine Kinder können sich ergänzend zu ihrer häuslichen Welt, in der die Mutter am Anfang immer noch die Hauptrolle spielt, in der Kita in ihr junges Leben hinein finden. Zunächst ist für das Gelingen der Entwicklungsstand und das Naturell des Kindes bedeutsam. Verfügt es frühzeitig über eine gewisse Robustheit und/oder ist es mit günstigen Wesensmerkmalen ausgestattet, fällt es ihm in der Kita leicht. Jedoch nicht jedes Kind hat dies. Dann kommt es ganz entscheidend darauf an, wie viel Erziehungsbetreuung das kleine Kind und in welcher Qualität es diese bekommt. Was ich beobachten konnte, war teils ganz hervorragend. In einer anderen Einrichtung jedoch, wo unter 3-Jährige mit älteren Kindergartenkindern bei ungünstigem Personalschlüssel betreut wurden, fand ich es nur traurig, was ich sah. Traurig, wenn ein kleines noch nicht 2 Jahre altes Kind in einer großen Gruppe bis zu 6 Jahre alter Kinder einfach unter die Räder kommt.
Außerdem haben die bedingungslosen Befürworter der Kleinstkindbetreuung, wie Ihr Redakteur Herr Walker wohl einer ist, nicht aufgepasst, und in die BZ sind auch Studienergebnisse hinein gerutscht, die über zu wenig Erzieherinnen und über zu schlechtes Essen in den Kitas berichteten (siehe unten).
Ist es einer jungen Mutter, einem jungen Vater dann zu verdenken, ihr kleines Kind bei unsicherer Qualität der zur Verfügung stehenden Betreuungseinrichtung und bei noch nicht ganz für die Kita ausgereifter Entwicklung es zu Hause zu betreuen? Unter Verzicht auf ein Erwerbseinkommen bei schnöden 150 € Betreuungsgeld im Monat für ihre Leistung (die eigentlich viel höher anzusetzen wäre wie etwa die 1000 € im Monat, die die öffentliche Hand für einen Kitaplatz aufbringen muss)?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Schreiber
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rhein-zeitung 29.07.2014, 06:15 Uhr
WEM HILFT DAS BETREUEUNGSGELD?
Janina Lange (28) aus Trier hat zwei Töchter: Mia ist jetzt fünf, Fiona erst 19 Monte alt. Die Beziehung zu ihrer ersten Tochter sei nicht so eng, wie sie sein sollte, sagt die Mutter traurig. Mit ihrer zweiten Tochter wollte sie denselben Fehler nicht noch einmal machen: nämlich das Kind zu früh in fremde Hände geben.
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und HP-PLUS
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Zum Thema siehe auch:
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Süddeutsche Zeitung Mittwoch, den 30. Juli 2014, Seite 5
Politik
„Wir vertrauen da ganz den Eltern“
BAYERNS SOZIALMINISTERIN EMILIA MÜLLER verteidigt das Betreuungsgeld, Ergebnisse einer kritischen Studie dazu stellt sie „komplett infrage“. Und sie sieht keinen Bildungsvorsprung von Kindern, die eine Krippe besucht haben
Interview: Ulrike Heidenreich
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sueddeutsche.de 28. Juli 2014 18:44
Debatte ums Betreuungsgeld
KINDER ERZIEHEN GEHT AUCH OHNE ABITUR
Es gibt gute Gründe, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Politiker machen es sich aber zu einfach, wenn sie darauf verweisen, dass vor allem Eltern ohne höhere Schulbildung oder mit Migrationshintergrund die Leistung nutzen.
Von Barbara Galaktionow
(….)
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Süddeutsche Zeitung Mittwoch, den 30. Juli 2014, Seite 13
Forum
DEBATTE@SZ
Die neu entfachte Debatte über das Betreuungsgeld wird auch in den Internet-Foren der SZ kontrovers geführt:
„Die ganze Diskussion geht an der Realität vorbei. In allen Fällen, die ich kenne, gehen die Kinder deshalb in die Krippe, weil beide Eltern weiterhin arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. Viele Mütter würden gerne zu Hause bleiben. Ideologische Gründe spielen da kaum eine Rolle.“ (Sebbo 73 auf Süddeutsche.de) (…)
Diskutieren Sie mit unter: sz.de/betreuungsgeld
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