°
Weitere InformationenAntrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (pdf | 149 KB)Antrag der Fraktion DIE LINKE. (pdf | 144 KB)20. Sitzung am Montag, dem 10. November 2014, 15.00 bis 17.00 Uhr – öffentlich (pdf | 115 KB)Stellungnahmen°
Stellungnahmen
- Stellungnahme Jörg Freese, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (pdf | 422 KB)
- Stellungnahme Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll, Staatsinstitut für Frühpädagogik (pdf | 664 KB)
- Stellungnahme Frank Jansen, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK)-Bundesverband e. V. (pdf | 304 KB)
- Stellungnahme Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Deutsches Jugendinstitut (pdf | 374 KB)
- Stellungnahme Norbert Hocke, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – Hauptvorstand (pdf | 1 MB)
- Matthias Ritter-Engel, AWO Bundesverband e. V. (pdf | 250 KB)
Becker-Stoll, F.Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur Verbesserung des Ausbaus und der Qualität der Kindertagesstätten am 10.11.2014(…) Mittlerweile gibt es eine wachsende Anzahl von Studien, die Zusammenhänge zwischen der Qualität außerfamiliärer Betreuung und dem Entwicklungsstand von Kindern in Sprache, Kognition und sozial-emotionalen Kompetenzen bestätigen (z.B. Burchinal et al. 2008; Mashburn et al. 2008). Insbesondere die Daten der NICHD-Studie belegen empirisch sowohl den Einfluss von Familienfaktoren als auch den der außerfamiliären Betreuung auf die kindliche Entwicklung (vgl. NICHD 1998, 1999, 2000, 2002, 2003, 2006). So fanden sich beispielsweise längsschnittliche Zusammenhänge zwischen einer niedrigen Qualität der außerfamiliären Betreuung und späterem externalisierendem Problemverhalten der Kinder: Negative Effekte des Besuchs einer Kindertageseinrichtung mit niedriger Qualität zeigten sich vor allem dann, wenn die die Kinder sehr viel Zeit in der Einrichtung verbrachten und wenn die Gruppen sehr groß waren (Belsky 2009; McCartney et al. 2010). Zwar fielen die Effektstärken der Einrichtungsqualität insbesondere im Vergleich zu dem Einfluss der Familie eher gering aus, dennoch dürfen diese Einflüsse in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Bei Kindern, die in ihren Familien keine ideale Betreuung erfahren, kann eine außerfamiliäre Betreuung mit ausgezeichneter Qualität kompensatorisch wirken und Defiziten in der sozialen Entwicklung sowie Problemverhalten vorbeugen. Erfahren diese Kinder dagegen auch in der außerfamiliären Betreuung eine niedrige Qualität, so wirkt sich dies zusätzlich negativ auf ihre Entwicklung aus (Watamura et al. 2011). (…)Bei der Nationalen Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern (NUBBEK, Tietze et al. 2013) handelt es sich um eine groß angelegte Studie, in deren Mittelpunkt die Qualität der familiären und außerfamiliären Betreuung von 2- und 4-jährigen Kindern steht. Im Folgenden sollen die zentralen Studienergebnisse zur Qualität der außerfamiliären Betreuung für Kinder in den ersten drei Lebensjahren dargestellt werden (Beckh et al.2013). (…)
Die Qualitätsmittelwerte liegen für Krippen, altersgemischte Einrichtungen und Tagespflegestellen jeweils im Bereich mittlerer Qualität (siehe Abbildung 1). Entsprechend befindet sich auch der überwiegende Teil der Einrichtungen im Bereich mittlerer Qualität, d.h. 87,6% der Tagespflegestellen, 82,0% der altersgemischten Gruppen sowie 87,2% der Krippengruppen. In den Bereich guter bis sehr guter Qualität fallen dagegen nur 5,6% der Tagespflegestellen, 0,8% der altersgemischten Gruppen sowie 6% der Krippen.
In jeweils 6,8% der Tagespflegestellen und Krippen sowie in 17,2% der altersgemischten Einrichtungen wurde die Qualität als unzureichend eingeschätzt, da grundlegende Mindestanforderungen nicht erfüllt waren (siehe Abbildung 1).
Tatsächlich ist die Qualitätslage in der U3-Kitabetreuung geradezu beunruhigend, wenn man sich den zentralen Aspekt der sogenannten Alltagsroutinen (HP-PLUS) genauer anschaut:
Becker-Stoll, F.Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur Verbesserung des Ausbaus und der Qualität der Kindertagesstätten am 10.11.2014°(…) Ein deutlicher Qualitätsabfall zeigt sich im Bereich Betreuung und Pflege der Kinder, d.h. bei der Gestaltung der Alltagsroutinen. Die Qualitätsmittelwerte liegen hier für alle drei betrachteten Betreuungsformen im unteren Bereich unzureichender Qualität (siehe Abbildung 2). Dies zeigt sich auch in der prozentuellen Verteilung: es fallen 73,3% der Tagespflegestellen, 88,3% der altersgemischten Einrichtungen sowie 78,4% der Krippen in den Bereich unzureichender Qualität, gut oder sehr gut schnitten im Bereich Betreuung und Pflege dagegen nur 1,9% der Tagespflegestellen, keine der altersgemischten Einrichtungen sowie 17,0% der Krippen ab.
Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse in einigen Bereichen auch deutliche Unterschiede zwischen den Betreuungsformen. So schneiden altersgemischte Gruppen in den Bereichen Platz und Ausstattung, Betreuung und Pflege, Interaktionen, Strukturieren der pädagogischen Arbeit sowie Zuhören und Sprechen im Hinblick auf Kinder in den ersten drei Lebensjahren signifikant schlechter ab als Krippengruppen. Dies spricht dafür, dass viele der untersuchten altersgemischten Einrichtungen nicht ausreichend auf die altersspezifischen Bedürfnisse von Kindern bis drei Jahre aus- und eingerichtet waren.
(aus: Becker-Stoll, F. – Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur Verbesserung des Ausbaus und der Qualität der Kindertagesstätten am 10.11.2014)
aus: 5. Bildungsbericht 2014
Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Verbesserung und Sicherung der Betreuungsqualität für Kinder in den ersten drei Lebensjahren eine höhere Priorität eingeräumt werden sollte. Insbesondere dann, wenn die Kinder schon sehr früh für viele Stunden täglich außerfamiliär betreut werden, reicht eine mittelmäßige Betreuungsqualität nicht aus, um die Kinder optimal in ihrer Entwicklung zu begleiten. Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder, die familiären oder sonstigen Belastungen ausgesetzt sind, sind in besonderem Maße auf eine gute bis sehr gute Betreuungsqualität angewiesen (Beckh et al., 2014).°(aus: Becker-Stoll, F. – Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur Verbesserung des Ausbaus und der Qualität der Kindertagesstätten am 10.11.2014)
Becker-Stoll: Das ist das vielleicht wichtigste Ergebnis unserer großen Qualitätsstudie: Kinder mit Migrationshintergrund brauchen exzellente Einrichtungen, um sich gut zu entwickeln. Bevor sie eine schlechte oder mittelmäßige Kita besuchen, bleiben sie besser zu Hause.F.A.S.: Wie bitte?Becker-Stoll: Das ist leider so. Wir haben die sprachliche, die sozio-emotionale und die kognitive Entwicklung gemessen und verglichen. Wenn diese zweijährigen Kinder nicht in eine Kita im oberen Drittel der Qualität gehen, sind sie zu Hause besser aufgehoben. Nur den guten Kitas gelingt es, sich auf die spezifischen Bildungsbedürfnisse von Kindern mit Migrationshintergrund so einzustellen, dass diese davon wirklich profitieren. Bei den deutschen Zweijährigen hingegen wirkt sich die Qualität der Kita kaum auf die Entwicklung aus.°(aus: „KRIPPE IM ERSTEN LEBENSJAHR? – NEIN!“. Die Bindungsforscherin Fabienne Becker-Stoll rät Eltern, genau darauf zu achten, wie viel und welche Betreuung gut für ihr Kind ist. F.A.S., Sonntag den 03.08.2014 Leben 38)
Angesichts der mittlerweile üblichen Horizontverengung politischer Debatten und Entscheidungen, die etwa die Regierungen in Bund und Ländern gerade erst wieder bestätigt haben, sind die notwendigen, grundlegenden Kurskorrekturen allerdings kaum zu erwarten (HP-PLUS)
°
Zum Thema siehe auch:
Rainer Stadler: Drinnen und draußen. Was mit Kindern passiert, die die meiste Zeit nicht zu Hause, sondern in einer Tagesstätte verbringen. Zur Lage der Familien und zum aktuellen Stand der Forschung. Der Freitag, Nr. 45/14 vom 06.11.2014
°