Regierungsberater:

Gemeinschaftsschulen verbesseren Chancengerechtigkeit nicht

– aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

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HBF-Lese-Tip, Tübingen 25. Juli 2014, erstellt 21:53 Uhr, Stand 20:20 Uhr

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Stadtteil-, Sekundar- oder Gemeinschaftsschulen – die Bezeichnungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Gemeinsam ist ihnen allerdings die öffentlich vorgetragene bildungspolitische Hoffnung, die Chancengerechtigkeit entscheidend zu verbessern. Tatsächlich sind diese Ambitionen kaum einlösbar, wie ein Regierungsberater dieser Tage in einer Diskussion freimütig einräumte:

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Schwäbisches Tagblatt 25.07.14, Steinlachtal

„Schwächen schwächen. Stärken stärken

Waldemar Futter über Gemeinschaftsschulen / Protest gegen eine verpflichtende Ganztagsschule geht weiter

Am Mittwochabend hielt der Mössinger Pädagoge Waldemar Futter im Gasthaus .Bahnhof” in Gomaringen einen Vortrag mit dem Titel .Kann die Gemeinschaftsschule halten, was sie verspricht?” Zu der Informationsveranstaltung hatte eine Elterninitiative geladen, die sich gegen die verpflichtende Ganztagsschule auf dem Höhnisch stellt

Amancay Kappeller

(…) Referent Waldemar Futter, stellvertretender Vorsitzender des Vereins .Bündnis pro Bildung Baden-Württemberg”, war vor seiner Pensionierung 37 Jahre im Schuldienst. Er berät die Landespolitik in Bildungsfragen. Von 1977 bis 1996 war der 65-Jährige Lehrer an. einem Wirtschaftsgymnasium in Stuttgart von 2000 bis 2012 leitete er die gewerbliche Friedrich-Ebert-Schule in Esslingen. (…) Im Falle der geplanten Gemeinschaftsschule auf dem Höhnisch riet er von »Augenwischerei” ab: Es gehe nicht mehr darum, „ob es kommt, sondern wie es kommt”. Die politische Entscheidung sei gefallen. Verpflichtende Ganztagsschulen bekommen mehr finanzielle Mittel und, eine bessere Lehrerausstattung. (…)

Ein optimales Lernmilieu entstehe, wenn sich die Schülerschaft jeweils zu einem Drittel aus Kindern mit Haupt-, Real- und Gymnasialempfehlung zusammensetze, sagte Futter. Ein Problem sei aber, dass Gemeinschaftsschulen im Durchschnitt nur zehn Prozent Schüler mit Gymnasialempfehlung hätten: „Ein leichter Konstruktionsfehler.” (..)

Mehr Chancengerechtigkeit durch längeres gemeinsames Lernen versprechen sich Fachleute von der Gemeinschaftsschule. Unter dem Strich schaffe diese Schulart aber nicht mehr Bildungsgerechtigkeit: Da seien sich Befürworter und Gegner einig, erklärte der 65-Jährige. Die Gemeinschaftsschule sieht ab Konzept die verpflichtende Ganztagsschule vor.  Ein Argument dafür sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so Futter.

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Diese enttäuschende Prognose für die Gemeinschaftsschulen und ihre länderspezifischen Varianten in Sachen verbesserte Chancengerechtigkeit verlanlaßt einzelne Landesregierungen, trotzig entsprechende Erfolgsbilanzen zu produzieren. Die einschlägigen Anstrengungen sorgen allerdings nur für mitleidiges Kopfschütteln in den Medien:

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Tagesspiegel   09.05.2014 14:07 Uhr

Schule in Berlin

WENN ERFOLG VERORDNET WIRD, SCHEITERN DIE SCHÜLER EBEN SPÄTER

Der Senat ist offenbar krampfhaft bemüht, die neu gestartete Sekundarschule via Abschlussquoten zum Erfolgsmodell puschen zu wollen. Viele Lehrer fühlen sich an DDR-Zeiten erinnert, als Erfolgsquoten vorab festgeschrieben wurden.

von Susanne Vieth-Entus

Gymnasiasten, die keinen geraden Satz zu Papier bringen können, Sekundarschüler, die an den Grundrechenarten scheitern: Den Berliner Lehrern ist nichts fremd, wenn es um die Untiefen des Schülerniveaus geht. Aber sie müssen diese Klientel begleiten und zu Abschlüssen führen. Irgendwie.

Wie dieses „irgendwie“ beschaffen ist, lässt sich aktuell bei den Verrenkungen betrachten, die rund um die Abschlussprüfungen aufgeführt werden. Der Senat tut alles, um auch den schwächsten Schülern den Weg zu einem Mittleren Schulabschluss oder zumindest einer Berufsbildungsreife zu ebnen.

Erfolgsquoten werden vorher festgeschrieben

Da werden die Zugangsvoraussetzungen heruntergesetzt, da jagt eine Nachprüfung die andere, um bloß keinen Schüler ohne ein Zertifikat ins Leben zu entlassen. Das ist ebenso rührend wie armselig. Rührend, weil keiner auf der Strecke bleiben soll. Armselig, weil mit Potemkinschen Dörfern, die falsche Erwartungen wecken, niemandem gedient ist: weder den Schülern noch den Arbeitgebern, die spätestens bei ihren hauseigenen Aufnahmetests feststellen, dass nichts dahintersteckt. (…)

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Zum Thema siehe auch:

 

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