FRAUENQUOTE als Billig-Rezept gegen eigenes Versagen:
Eine faktenreiche Abrechnung
/ INSIDERIN will mehr als besinnungslose Frauensolidarität
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HBF-LESE-Tip, Tübingen 17.11.14, erstellt 11:30 Uhr


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WAS SOLL DIE QUOTE FÜR REGISSEURINNEN BRINGEN?
Frauen in leidenden Positionen
Die Quote ist in Serie gegangen, wie alle Erfolgsformate. Nun fordern Regisseurinnen mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Aufträgen für Film- und Fernsehproduktionen. PRO-QUOTE-REGIE – EIN IRRTUM IN FÜNF AKTEN.
von Heike-Melba Fendel
 
Den Kopf hinhalten, Anweisungen geben. Regisseurin Caroline Link bei den Dreharbeiten zu „Nirgendwo in Afrika“. – Foto: Gerhard Westrich/laif
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Die Parteien haben sie, die Dax-Vorstände kriegen sie, die Journalisten fordern sie und die Kanzlerin hat auch nichts mehr dagegen. Nun ist auch den deutschen Regisseurinnen aufgefallen, dass sie zu kurz kommen, und sie setzen auf die Quote. (…)
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 1. Zahlendreher
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 „Und dann habe ich die Zahlen gesehen!“ Dieser Satz fällt in nahezu jedem Statement von Pro-Quote-Regie-Sprecherinnen. Regisseurinnen, die seit Jahren, oft Jahrzehnten in Film und Fernsehen arbeiten und an Filmhochschulen unterrichten, haben angeblich weder bemerkt, dass neben ihnen kaum Frauen in ihrem Geschäft unterwegs sind, noch wie wenige ihrer gut quotierten Studentinnen nach dem Studium tatsächlich Karrieren aufbauen. Erst mit den in Ellen Wietstocks filmpolitischem Informationsdienst „Blackbox“ zusammengetragenen Zahlen – nur knapp 15 Prozent der Regieaufträge in Film und Fernsehen werden an Frauen vergeben – kamen die Tränen. Und die Wut. Und neue Zahlenspiele.
 Wessen Empörung erst von Zahlen geweckt wird, der will auch seine Satisfaktion auf Zahlen betten, also Studien über verschwundene Studentinnen beauftragen, Fördergelder aufteilen und Regiejobs quotieren. Ausgespart bleibt, was nicht berechenbar, sondern nur beschreibbar wäre: Ursachen, Einzelfälle, Zweifel, Ästhetik, Substanz und der als „alter Hut aus den Siebzigern“ geschmähte weibliche Blick. Allenfalls umschließen die Zahlenspiele das viel zitierte Recht der Frauen, „auch schlechte Filme machen zu dürfen“.
 Zahlen sprechen – wenn überhaupt – nur dann, wenn Vergleichsgrößen genannt werden. Aber es gibt noch keine Statistik darüber, wie viele Anträge in welcher Höhe von Frauen überhaupt bei den Förderanstalten eingereicht werden und ob überdurchschnittlich viele abgelehnt werden, im Vergleich zu denen der Männer. Persönliche und damit konkrete Erfahrungen werden gezielt ausgespart („Bei mir läuft es eigentlich gut“).
(….)
4. Eigenblut-Therapie
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 Während sich hermetische Jungssysteme womöglich nur mit dem Quoteneisen aufbrechen lassen, gibt es in Film und Fernsehen längst eine Vielzahl mächtiger Frauen.  (…)  Diesen Frauen in leitenden Positionen wird seitens der Frauen in leidenden Positionen nicht selten eine antifeministische deformation structurelle unterstellt.
 Einfach mal in Erfahrung zu bringen, warum sie oft kein Interesse an Regisseurinnen oder deren Projekten haben, wäre sinnvoller, als ihre Besetzungspolitik als „weitestgehend unbewusst“ zu denunzieren. Die Antworten könnten wehtun. Die Quotenkeule gegen das eigene Geschlecht schwingen? Es wäre allemal mutiger, mehr Dialog, mehr Projekt und ordentlich Konflikt mit den Kolleginnen in Verantwortung zu wagen. (….)
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HEIKE-MELBA FENDEL ist Inhaberin der Agentur Barbarella und Co-Autorin des Frauenblogs „Ich. Heute. 10 vor 8.“ auf faz.net

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