Familienreport 2011:

Arbeitswelt als Taktgeberin des Alltags von Familien“ gestärkt

– Zweischneidiger Gewinn für Kinder und Eltern

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HBF-AKTUELL Tübingen 09. Januar 2012, erstellt 15:00 Uhr, Stand 18:17 Uhr

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“Die Arbeitswelt als Taktgeberin des Alltags von Familien” (vgl. Material zum 8. Familienbericht) ist in den letzten Jahren gestärkt worden – so lassen sich die Daten des heute von der Bundesfamilienministerin veröffentlichten Familienreports 2011 (HPL) zusammenfassen. Gerade beim Blick auf die Notwendigkeiten des demographisch bedingten Arbeitskräftemangels gibt es aus Sicht des Regierungs-Reports bereits deutliche Fortschritte zu verzeichnen (HPL); allerdings sei das vorhandene Potential noch nicht voll ausgeschöpft (HPL).

Familienpolitisch sind dafür die Weichen nicht nur durch den laufenden Ausbau von Krippen- und Ganztagsangeboten gestellt. Das zeigen internationale Vergleichszahlen, bei denen Deutschland sogar noch “besser” dasteht als die skandinavischen Vorbild-Staaten des gegenwärtig praktizierten Politik-Konzeptes (HPL).

Ob sich unterm Strich die Lebensqualität für Eltern und ihre Kinder im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen tatsächlich verbessert hat, ist jedoch zweifelhaft wie die regierungsamtlich ausgewählten Daten (HPL) des neuesten Familienreports nur ansatzweise erkennen lassen (HPL).

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HBF-VOLLTEXT

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“Die Arbeitswelt als Taktgeberin des Alltags von Familien” (vgl. Material zum 8. Familienbericht) ist in den letzten Jahren gestärkt worden – so lassen sich die Daten des heute von der Bundesfamilienministerin veröffentlichten Familienreports 2011 (vgl. PM Bundesfamilienministerium 09.01.2012) zusammenfassen. Gerade beim Blick auf die Notwendigkeiten des demographisch bedingten Arbeitskräftemangels gibt es aus Sicht des Regierungs-Reports bereits deutliche Fortschritte zu verzeichnen: Die Erwerbsquote von Müttern mit Kindern unter drei Jahren ist seit 2006 deutlich angestiegen:

 

Wirkung des Elterngeld auf Müttererwerbstätigkeit

Wirkung des Elterngeld auf Müttererwerbstätigkeit


Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Erwerbsvolumina: Sie sinken im ersten Jahr, steigen danach jedoch kontinuierlich an. Von den 40 Prozent der Mütter mit jüngstem Kind zwischen einem und zwei Jahren arbeiten im Jahre 2010 bereits wieder gut die Hälfte 30 Stunden die Woche oder mehr.


(…) Betrachtet man die kausalen Effekte, die das Elterngeld auf die Erwerbstätigkeit von Müttern hat, so zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutter im zweiten Lebensjahr ihres neugeborenen Kindes eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, im Vergleich zum Erziehungsgeld gestiegen ist, besonders für Mütter mit niedrigem Haushaltseinkommen.

(aus: Familienreport 2011. Seite 95f)

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Allerdings sei das vorhandene Potential noch nicht voll ausgeschöpft:

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Von dem erheblichen, noch nicht ausgeschöpften Arbeitskräfteangebot bei beruflich qualifizierten Frauen und Müttern im erwerbsfähigen Alter ließen sich allein mit familienfreundlichen, flexiblen Arbeitszeitmodellen etwa 750.000 Vollzeitstellen aktivieren.

(aus: Familienreport 2011. Seite 55f)

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Familienpolitisch sind dafür die Weichen nicht nur durch den laufenden Ausbau von Krippen- und Ganztagsangeboten gestellt. Das zeigen internationale Vergleichszahlen, bei denen Deutschland sogar noch “besser” dasteht als die skandinavischen Vorbild-Staaten des gegenwärtig praktizierten Politik-Konzeptes. Trotz der vermeintlich großzügigen materiellen Familienförderung in Deutschland liegt ihr armutssenkender Effekt für Kinder und Jugendliche deutlich unter dem Niveau Schwedens oder Finnlands. So sinkt die Armutsgefährdungsquote durch Sozialtransfers und monetäre Familienleistungen in Finnland um fast 63% Prozent, in Schweden um mehr als 58% und in Deutschland lediglich um 47%. Das heißt, der wirtschaftliche Druck zur verstärkten Erwerbstätigkeit von Eltern, um sich und die eigenen Kinder vor Armut zu schützen, ist in Deutschland weitaus größer als in Finnland oder Schweden:

Armutsquote von Kindern im internationalen Vergleich / Wirkung der Familienleistungen 2010 - HBF-Daten

Ob sich unterm Strich die Lebensqualität für Eltern und ihre Kinder im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen tatsächlich verbessert hat, ist jedoch zweifelhaft. Die regierungsamtlich zusammengestellten Daten des neuesten Familienreports, der lediglich ausgewählte Studien des letzten Jahres zusammenträgt, lassen das nur ansatzweise erkennen. Einerseits sinkt das Armutsrisiko von Kindern durch die stärkere Erwerbsbeteiligung der Eltern, also besonders die der Mütter:

Armutsquote von Kindern nach Erwerbsbeteiligung der Eltern 2010 - HBF-Daten

und HP-PLUS

Die Kinder wissen den damit verbundenen Zugewinn an wirtschaftlicher Sicherheit durchaus zu schätzen. Aber an dem in der Regel zwangsläufigen Verlust an gemeinsamer Familienzeit leiden sie andererseits genauso wie ihre Eltern:

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Insgesamt stehen Kinder der Berufstätigkeit ihrer Mütter und Väter positiv gegenüber. Insbesondere sehen sie sehr klar, dass diese ihnen finanzielle und materielle Sicherheit bringt. Dies wird jedoch
durch den Verzicht auf gemeinsam verbrachte Zeit erkauft, was die Kinder insgesamt bedauern. Zudem wird von einem Teil der Kinder auch Anspannung und Ungeduld der Eltern als Schattenseite der Berufstätigkeit erlebt. Aber gleichzeitig erleben die Kinder die zur Verfügung stehende gemeinsame Zeit als sehr positiv.


(…..)


Die allermeisten sind vor diesem Hintergrund mit der zeitlichen Zuwendung ihrer Eltern zufrieden. Es sind nicht primär die Kinder der erwerbstätigen Eltern, die häufiger eine fehlende Zuwendung der Eltern beklagen. Vielmehr sind es mit einem Anteil von 30 Prozent die Schulkinder, deren Eltern arbeitslos oder aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätig sind. Auch 31 Prozent der Kinder mit erwerbstätigen alleinerziehenden Eltern sind mit dem zeitlichen Umfang für Zuwendung nicht zufrieden. Gleichwohl äußern auch Kinder dieser Altersgruppe, dass die gemeinsame Zeit mit den Eltern durch die Berufstätigkeit eingeschränkt ist. Im Fall der Berufstätigkeit der Mutter meinen dies 36 Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen. Bezogen auf den Vater ist sogar jedes zweite Kind dieser Ansicht.

(aus: Familienreport 2011. Seite 55 und 79)

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Auch bei den Eltern dominiert klar der Wunsch nach kürzeren Erwerbsarbeitszeiten (Abbildung 40); besonders ausgeprägt ist das bei den vollzeiterwerbstätigen Müttern, die eine weitaus kräftigere wöchentliche Stundenreduktion wünschen als die Väter (vgl. Abbildung 41):

Arbeitszeitwünsche von Eltern / ideale Arbeitszeiten 2010 - HBF-Daten und HP-PLUS

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Zum Thema siehe auch:

  • ÜBERFORDERTE DOPPELVERDIENER: Eltern sind zufriedener, wenn der Mann arbeitet und die Frau nicht – obwohl die meisten alte Rollenmuster ablehnen. Süddeutsche Zeitung, Montag, den 12. September 2011 – in: HBF 12.09.11

  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Daten signalisieren erhebliche Verschlechterungen. Familienmonitor 2010 und 2011 im Vergleich (vgl. HBF 02.11.11)

  • HBF-Themen-Archiv “Keine Zeit…für Kinder”

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*) vgl. dazu: Zeit für Familie – das Thema für den 8. Familienbericht. Powerpoint Präsentation von Dr. Hans-Peter Klös, Institut der deutschen Wirtschaft beim Deutschen Familienverband. Blossin, 3. Juni 2011. Seite 7f

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Taktgeber der Zeitverwendung

Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarkt

oUmfang, Lage, Gestaltbarkeit, Einkommen

Bildungssystem

oUmfang und Lage des Unterrichts

Betreuungsinfrastruktur

oZugänglichkeit, Kosten, Umfang

Familienpolitische Rahmenbedingungen

Werte und Normen

Zeitsicherheit

oFerienzeiten, Öffnungszeiten, Befristungen

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Die Arbeitswelt als zentraler externer Taktgeber

Die Arbeitswelt hat sich „entstandardisiert“:

– Arbeitszeiten sind unregelmäßiger geworden.

– Es wird mehr in den Abend hinein gearbeitet.

– Die Wochenendarbeit hat zugenommen.

– Arbeits- und Wohnort vermischen sich stärker.

– Befristete Beschäftigung ist vielfach Einstiegsmodell.

– Die Zeitsouveränität ist vielfach eingeschränkt.

 

 

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