“Mehr Frauen können für sich selbst sorgen”:
Einsamer Fortschritt!
HBF-AKTUELL Tübingen 05. März 2014, erstellt 15:40 Uhr, Stand 19:31 Uhr
Immer mehr Frauen leben von ihrer eigenen Erwerbsarbeit, meldet das Statistische Bundesamt (HPL). Insgesamt deutlich verbessert habe sich seit der Jahrtausendwende auch ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt, wie Wirtschaftsforscher registrieren. Im europäischen Vergleich übertreffe Deutschland damit sogar inzwischen das familienpolitische “Vorbild” Frankreich (HPL).
In unserer arbeitsmarktzentrierten Gesellschaft wird diese Entwicklung als Ausdruck des gesellschaftlichen Fortschritts verstanden, wie etwa die Kirchen gerade erst in ihrem gemeinsamen Sozialwort bekräftigt haben (vgl. HBF 2014). Daß diese Gleichsetzung sehr verkürzt ist, dokumentieren nicht nur die neuen Daten frauenpolitisch bewegter Experten (HPL). Auch ein aktueller Europa-Vergleich verblüfft mit erschreckenden Zahlen in den gleichstellungspolitisch hoch gehandelten Vorzeigeländern (HPL).
Die populäre Erfolgsformel für gesellschaftlichen Fortschritt “Mehr Erwerbsarbeit für alle (Männer und Frauen)!” hält offenkundig nicht, was ihre Protagonisten/innen versprechen. Kein Wunder, wenn etwa in Frankreich die Zahl der Frauen wächst, die ihre eigenen, politisch höchst inkorrekten Schlußfolgerungen daraus ziehen (HPL).
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Volltext-Version
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Immer mehr Frauen leben von ihrer eigenen Erwerbsarbeit meldet das Statistische Bundesamt:
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Statistisches Bundesamt Zahl der Woche vom 04.03.2014
45 % der Frauen leben von ihrer eigenen Erwerbstätigkeit
WIESBADEN – Im Jahr 2012 deckten in Deutschland 45 % der Frauen ihren Lebensunterhalt überwiegend durch die eigene Erwerbs- und Berufstätigkeit. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis von Daten des Mikrozensus anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März mit. Im Vergleich zu 1996 – seitdem sind vergleichbare Auswertungen möglich – ist dieser Anteil deutlich gestiegen. Damals lebten 39 % der Frauen überwiegend von ihrer eigenen Erwerbs- und Berufstätigkeit.
Weitere 29 % der Frauen bestritten im Jahr 2012 (1996: ebenfalls 29 %) ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch eine Rente oder Pension. Für 18 % der Frauen (1996: 24 %) waren Einkünfte von Angehörigen (insbesondere des Ehe- beziehungsweise Lebenspartners) die Haupteinkommensquelle. (….)
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Insgesamt deutlich verbessert habe sich seit der Jahrtausendwende auch ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt, wie Wirtschaftsforscher registrieren. Im europäischen Vergleich übertreffe Deutschland damit sogar inzwischen das familienpolitische “Vorbild” Frankreich:
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Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Frankfurt am Main, 3. März 2014
FRAUEN IN DEUTSCHLAND HOLEN AUF
Deutschland auf Rang 8 des PwC-„Women in Work“-Index / Arbeitnehmerinnen von Wirtschaftskrise besonders hart getroffen / Anteil von Mitarbeiterinnen steigt auch ohne politischen Druck
Die Frauen in Deutschland erobern sich zunehmend eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben. Zu diesem Ergebnis kommt der „Women in Work“-Index der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Im Vergleich zur Vorjahresauswertung kann sich Deutschland im Index um eine Position auf den 8. Rang verbessern und liegt mit einem Wert von 63 Punkten über dem OECD-Durchschnitt von 58,6 Punkten. Auf dem ersten Platz kann sich seit Beginn der Erhebung im Jahr 2000 Norwegen behaupten, gefolgt von Dänemark und Schweden. Deutschland lag 2000 noch auf dem 18. Platz (47,4) und damit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder (50,0). (…)
Der „Women in Work“-Index misst die Beteiligung von Frauen am Wirtschaftsgeschehen einer Volkswirtschaft anhand von fünf standardisierten und gewichteten Kriterien, die zu einem Index-Wert aggregiert werden:
• Gehaltsunterschiede (25%)
• Anteil der Frauen in Erwerbstätigkeit (25%)
• Unterschied zwischen den Anteilen von Frauen/Männern an Erwerbstätigkeit (20%)
• Arbeitslosigkeitsrate von Frauen (20%)
• Anteil von Frauen in Vollzeitbeschäftigung (10%).
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PwC „Women in Work“-Index
In unserer arbeitsmarktzentrierten Gesellschaft wird diese Entwicklung als Ausdruck des gesellschaftlichen Fortschritts verstanden, wie etwa die Kirchen gerade erst in ihrem gemeinsamen Sozialwort bekräftigt haben (vgl. HBF 28.02.14). Daß diese Gleichsetzung sehr verkürzt ist, dokumentieren nicht nur die neuen Daten frauenpolitisch bewegter Experten:
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Hans-Böckler-Stiftung 04.03.2014 11:06
Aktuelle Auswertung des WSI –
Job und Hausarbeit: Doppelbelastung erschöpft viele Frauen
Die Doppelbelastung durch Erwerbsarbeit und häusliche Pflichten führt bei vielen Frauen zu Müdigkeit und Erschöpfung. Dies zeigt eine neue Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. In Kooperation mit dem Berliner Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer haben WSI-Forscherinnen eine Vorabversion der Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2012 ausgewertet.
Die Ergebnisse: Wenn Frauen in Vollzeit arbeiten, sind sie häufiger erschöpft als Männer. Das gilt auch dann, wenn sie keine Kinder haben. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen mit einer Arbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden berichtete, im Laufe von Arbeitstagen häufig erschöpft zu sein. Frauen mit Kindern schilderten dies zu 56, solche ohne zu 53 Prozent. In Vollzeit erwerbstätige Männer mit Kindern kamen lediglich auf 44 Prozent, die ohne Kinder auf 42 Prozent. Bei überlangen Arbeitszeiten von 41 Stunden und mehr erhöhten sich die Werte entsprechend. Hier berichteten sogar zwei Drittel aller Mütter von Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung (siehe auch die Grafik in Böckler Impuls 4/2014; Link unten).
„Zu diesen Ergebnissen trägt auch bei, dass Frauen häufiger in Berufen arbeiten, in denen überdurchschnittlich viele Beschäftigte eine mengenmäßige Überforderung bei der beruflichen Arbeit beklagen”, erläutert WSI-Forscherin Dr. Christina Klenner. Dazu gehörten Sozial- und Erziehungsberufe, Gesundheitsberufe sowie weitere Dienstleistungen.
In Teilzeit beschäftigte Frauen ohne Kinder kamen auf ähnliche Belastungswerte wie die wenigen Teilzeit-Männer. Mit Kindern drifteten die Werte jedoch wieder auseinander: Mütter in Teilzeit waren an Arbeitstagen häufiger erschöpft als Väter mit reduzierter Arbeitszeit. „Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass viele Frauen nicht in Vollzeit arbeiten, obwohl Teilzeitarbeit mit Nachteilen beim Einkommen, bei den Aufstiegschancen oder bei der Rente verbunden sein kann”, so Klenner.
Im Zeitverlauf hätten immer weniger Frauen eine volle Stelle. Sieben von zehn Müttern arbeiteten in Teilzeit, wie das WSI GenderDatenPortal zeigt. “Einen Ausweg aus dem Dilemma zwischen Zeitnot mit häufiger Erschöpfung bei den Vollzeitbeschäftigten und Karriereverzicht bei Teilzeitarbeitenden würden generell kürzere Arbeitszeiten für die Familienphase bieten”, empfiehlt die WSI-Forscherin. Diese sollten künftig auch für die Väter normal sein.
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Müttererwerbstätigkeit und Arbeitsbelastung / Vergleich kinderlose Frauen zu Müttern / Mütter nach wöchentlicher Arbeitszeit / nach Arbeitszeitform
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 05.03.2014
Was heißt schon gleich?
Nirgendwo in Europa liegt der Verdienst von Männern und Frauen so weit auseinander wie in Deutschland. Daran können auch Initiativen wie der Weltfrauentag und der „Equal Pay Day“ bislang nichts ändern
Von Sibylle Haas
München – Junge Frauen können es oft nicht glauben: Sie sollen benachteiligt sein – heute noch? Dabei sind sie doch längst emanzipiert. In der Schule haben sie von ungleichen Chancen nichts gespürt, oft hatten sie besser Noten als Jungs. Seit Jahren machen mehr Mädchen als Jungen Abitur, und ein Uniabschluss mit guten Noten ist für viele Studentinnen selbstverständlich. Und doch bekommen schon junge Frauen weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Das wird später nicht besser, wenn es darum geht, Karriere zu machen – zwischen Mitte 30 und Anfang 40.
Dann holt viele Frauen die Realität ein: Sie sind seltener in Führungsjobs und verdienen deutlich schlechter als Männer. Die jüngste Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt, dass in keinem anderen europäischen Land der OECD die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern so groß ist wie in Deutschland. Hier verdienen Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 15 Prozent. (…)
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Auch ein aktueller Europa-Vergleich verblüfft mit erschreckenden Zahlen in den gleichstellungspolitisch hoch gehandelten Vorzeigeländern, die etwa im Women-in-Work-Index die Spitzenplätze besetzen. Laut der gestern veröffentlichen Studie werden genau in diesen Ländern Frauen besonders oft Opfer von Gewalt ihrer Partner oder ihres Umfeldes:
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aus: Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) 05/03/2014
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Die populäre Erfolgsformel für gesellschaftlichen Fortschritt “Mehr Erwerbsarbeit für alle (Männer und Frauen)!” hält offenkundig nicht, was ihre Protagonisten/innen versprechen. Kein Wunder, wenn etwa in Frankreich die Zahl der Frauen wächst, die ihre eigenen, politisch höchst inkorrekten Schlußfolgerungen daraus ziehen (HP-PLUS).
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Zum Thema siehe auch:
- HBF-Lese-Tip: Susanne Gaschke: Die Emanzipationsfalle – Erfolgreich, einsam, kinderlos. Deutschlandfunk 28.11.2005 – vgl. HBF 28.11.05
- HBF-Statistik: Erwerbsquote von Müttern 2000-2010 – in: HBF 13.02.13)
- HBF-Themen-Archiv “Vereinbarkeit von Familie und Beruf”
- HBF-Themen-Archiv “Arbeitsmarkt- statt Familienpolitik”
- HBF-Themen-Archiv “Familienpolitik im Ausland”
- HBF-Themen-Archiv “Keine Zeit für Kinder / Familie”
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