„Neue Betreuungsgeld-Studie“ bestätigt Kritik:

Alte SPIEGEL-Meldung neu aufgetischt!

– Vermeintliche Expertise nur ein Medienkonstrukt und Anlaß für

staats-paternalistische Polit-Reflexe

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HBF-AKTUELL Tübingen 28. Juli 2014, erstellt 13:22 Uhr, Stand 20:20 Uhr

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Seit dem Wochenende hat die Kritik am Betreuungsgeld wieder neue Nahrung erhalten: Eine aktuelle Studie zeige, daß die neue Geldprämie bei bildungsfernen Eltern und Migranten den falschen Anreiz setzte, ihre Kleinkinder nicht in die Kita zu schicken. Damit würden ihnen Bildungsmöglichkeiten vorenthalten und ihre Chancerechtigkeit gemindert (HPL). Die (nicht nur) rot-grünen Gegner/innen des Betreuungsgelds fühlen sich in ihrer prinzipiellen Ablehnung (wieder) bestätigt und einige Kommentatoren stoßen mit ihnen ins gleiche Horn (HPL).

Aus dem Blick geraten dabei allerdings die Fakten:

  • Über die vermeintlich “neue Studie” vom Wochenende hatte bereits der SPIEGEL im Juni berichtet (vgl. HBF-Infodienst 13.06.14) – ohne das heutige Medien/Polit-Echo auszulösen.

  • Die angeblich umfangreiche Untersuchung zum Betreuungsgeld hatte tatsächlich eine völlig andere Fragestellung, bei der die neue Familienleistung nur eine “Marginalie” war, wie der Studienleiter gegenüber dem Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit heute (erneut) bestätigt hat.

  • Die verwendete Datenbasis ist viel zu dünn, um die vermeintlich weitreichenden Wirkungen des Betreuungsgelds auf das Verhalten der Eltern nachzuweisen (vgl. HBF-Infodienst-Premium-Fassung 13.06.14)

  • Eine erst letzte Woche veröffentlichte Untersuchung liefert zudem (weitere – vgl. dazu z.B. 8. Familienbericht – in: HBF 2012) handfeste Zweifel an der polit-medial höchst populären These vom “Bildungsvorsprung” durch frühen “Kita”-Besuch (HPL).

  • Das politische Echo (HPL) auf diesen längst bekannten Befund (vgl. HBF 2007) vertieft diese Zweifel noch weiter.

All das ficht die Kritiker/innen des Betreuungs(-Taschen-)gelds nicht an. Konsequenterweise kämpfen sie um weniger (Wahl)Freiheit für „Risikoeltern“ in Namen des „Bildungsprimats (HPL)

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HBF-VOLLTEXT

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Seit dem Wochenende hat die Kritik am Betreuungsgeld wieder neue Nahrung erhalten: Eine aktuelle Studie zeige, daß die neue Geldprämie bei bildungsfernen Eltern und Migranten den falschen Anreiz setzte, ihre Kleinkinder nicht in die Kita zu schicken. Damit würden ihnen Bildungsmöglichkeiten vorenthalten und ihre Chancerechtigkeit gemindert:

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F.A.Z., Montag den 28.07.2014 Wirtschaft 19

Betreuungsgeld schadet der Chancengleichheit

Bildungsferne Familien entscheiden sich wegen der Förderung gegen die Kita

von Henrike Roßbach, Berlin

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Die (nicht nur) rot-grünen Gegner/innen des Betreuungsgelds fühlen sich in ihrer prinzipiellen Ablehnung (wieder) bestätigt und einige Kommentatoren stoßen mit ihnen ins gleiche Horn:

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SPIEGEL Online 26. Juli 2014, 10:39 Uhr

Familienpolitik

SPD und Grüne halten Betreuungsgeld für bildungsfeindlich

Seit einem Jahr gibt es das Betreuungsgeld für junge Familien, doch die Kritik daran reißt nicht ab: SPD und Grüne bemängeln, die Sozialleistung verschlechtere die Bildungschancen von Migranten. Unter Familien ist die Leistung trotzdem populär.

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Taz 28.07.14

HERDPRÄMIE MACHT DUMM

FAMILIE Kinder entwickeln sich dann am besten, wenn sie in ihrem ersten Lebensjahr zu Hause betreut werden und danach in die Kita gehen, haben Experten herausgefunden

Aus Berlin Simone Schmollack

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Taz 28.07.14

SIMONE SCHMOLLACK ÜBER EINE AKTUELLE STUDIE ZUR FAMILIENPOLITIK

Betreuungsgeld spaltet

Es ist keine überraschende Nachricht, aber doch eine bedeutende, die ForscherInnen jetzt bekannt gegeben haben: Das Betreuungsgeld trägt mit dazu bei, dass sich dieses Land weiter spaltet in Arm und Reich, in Gebildete und Dumme, in Aufsteiger und Absteiger. Unzählige Studien und unzählige Experten hatten vor der “Herdprämie” heftig gewarnt, bevor sie im Sommer des vergangenen Jahres eingeführt wurde.

Die KritikerInnen stützten sich unter anderem auf Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern, wo es ähnliche Sozialleistungen schon länger und mit ähnlichen Ergebnissen gibt. Vor allem migrantische und bildungsferne Familien entscheiden sich für ein bisschen mehr Geld und gegen Bildung für ihre Kinder.

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Frankfurter Rundschau, Montag den 28.07.2014 Meinung 10 – 11

KOMMENTARE

Betreuungsgeld und Lüge

Von Stephan Hebel

Das Betreuungsgeld wird diese Woche ein Jahr alt. Und die CSU tut bis heute so, als wollten die Gegner der Herdprämie es Eltern verbieten, ihre Kinder zu Hause zu betreuen. So hat sich die Chefin der bayerischen Staatskanzlei, Christine Haderthauer, den Vorwurf ausgedacht, die Kritiker führten eine „Besser-/Schlechter-Diskussion zwischen Elternzuwendung und Kita“.

Solche Lügen wären erstaunlich, kämen sie nicht von der CSU. Zur Erinnerung: Es geht um die Frage, ob man Hunderte Millionen ausgibt, um Eltern dafür zu bezahlen, dass sie eine staatliche Leistung, also Kitas, nicht in Anspruch nehmen. Es geht nicht darum, die Betreuung zu Hause zu verbieten. Es geht um einen Verdacht, den die jüngste Studie bestätigt hat: dass Leute, die weniger verdienen und schwerer Arbeit finden als andere, lieber bei einer Geldleistung zugreifen. Genau jene also, bei denen Förderung in der Kita oft am nötigsten wäre. (…)

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Aus dem Blick geraten dabei allerdings die Fakten:

         Über die vermeintlich “neue Studie” vom Wochenende hatte bereits der SPIEGEL im Juni berichtet (vgl. HBF-Infodienst 13.06.14) – ohne das heutige Medien/Polit-Echo auszulösen.

         Die angeblich umfangreiche Untersuchung zum Betreuungsgeld hatte tatsächlich eine völlig andere Fragestellung, bei der die neue Familienleistung nur eine “Marginalie” war, wie der Studienleiter gegenüber dem Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit heute (erneut) bestätigt hat.

         Die verwendete Datenbasis ist viel zu dünn, um die vermeintlich weitreichenden Wirkungen des Betreuungsgelds auf das Verhalten der Eltern nachzuweisen (vgl. HBF-Infodienst-Premium-Fassung 13.06.14)

         Inzwischen wehrt sich auf das Deutsche Jugendinstitut in München gegen die Darstellung in den Medien, es hätte eine Untersuchung zum Betreuungsgeld gemacht. In einer Mitteilung an die Presse von heute heißt es wörtlich:

Deutsches Jugendinstitut, Sent: Monday, July 28, 2014 2:50 PM

SUBJECT: THEMA: BETREUUNGSGELD

Sehr geehrte Damen und Herren,

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der wissenschaftliche Abschlussbericht zur Untersuchung „Kommunale Bedarfserhebungen – Der regionalspezifische Betreuungsbedarf U3 und seine Bedingungsfaktoren“, die im Frühjahr 2013 durchgeführt wurde, in dem es auch unter anderem um den Einfluss des Betreuungsgeldes geht und in der Presse immer wieder als Betreuungsgeldstudie bezeichnet wird, ist noch nicht offiziell freigegeben. Angesicht der vielfältigen Nachfragen haben wir uns aber entschlossen, das Kapitel 8 zum Betreuungsgeld im Laufe des Nachmittag voraussichtlich ab 16 Uhr ins Netz zu stellen und steht somit für alle Interessierten dann zur Verfügung:

bei:

www.forschungsverbund.tu-dortmund.de

www.dji.de

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         Selbst Fachleute wie der Kobler Sozialexperte und Betreuungseld-Gegner Stefan Sellwundern sich über die “Betreuungsgeld”-Studie des DJI und die Entschiedenheit der Kritik an der neuen Familienleistung. Fachlich sei das seriös nicht nachvollziehbar, wie er heute mittag im Interview mit dem DeutschlandradioKultur erläuterte:

DeutschlandRadio Kultur, 28. Juli 2014, 12:37 Uhr

Olle Kamellen vom Dt. Jugendinstitut?

Interview mit Stefan Sell

Betreuungsgeld

ES GIBT “KEINEN ZUGANG ZU DIESER ANGEBLICH NEUEN STUDIE”

Sozialwissenschaftler hält Ergebnisse für nicht nachvollziehbar

STEFAN SELL im Gespräch mit Korbinian Frenzel

Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz (IBUS) (dpa / picture alliance / Horst Galuschka)

Das Betreuungsgeld hält Migrantenfamilien davon ab, ihre Kinder in eine Kita zu schicken – zu diesem Schluss kommt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts. Dabei seien die Daten nicht überprüfbar, kritisiert der Ökonom Stefan Sell.

Der Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz (IBUS), Stefan Sell, hält die jüngst vom Deutschen Jugendinstitut veröffentlichten Studienergebnisse zum Betreuungsgeld für nicht nachvollziehbar.

Es gebe “keinen Zugang zu dieser angeblich neuen Studie, man kann sie nicht abrufen. Damit kann ich auch nicht nachvollziehen, ob die Daten und die Argumente richtig sind”, sagte Sell am Montag im Deutschlandradio Kultur. “Insofern habe ich hier den Eindruck, es wird wieder eine angebliche Studie ein Stück weit instrumentalisiert, ohne dass wir das überprüfen können.” Er sei, “gelinde gesagt, irritiert”, dass aus diesen Ergebnissen nun politische Schlussfolgerungen gezogen werden.

Kritik an der Arbeit der Medien

Sell kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Medien als unzureichend: “Überall liest man ja die gleiche Meldung; man muss den Eindruck haben, hier haben viele voneinander abgeschrieben”, sagte er. “Wir haben leider zu viele Studien, wo dann alle drüber berichten, und zwei, drei Tage später, wenn dann die ersten kritischen Fragen kommen, ja dann ist schon wieder ein neues Thema der Aufmerksamkeitsökonomie dran.”

 

Sendung: Studio 9, Länge: 06:18 Minuten

MP3: Audio abspielen

         Eine erst letzte Woche veröffentlichte Untersuchung der Bertelsmann Stiftung liefert zudem (weitere – vgl. dazu z.B. 8. Familienbericht – in: HBF 04.04.12) handfeste Zweifel an der polit-medial höchst populären These vom “Bildungsvorsprung” durch frühen “Kita”-Besuch. Bekanntlich knüpfen selbst wissenschaftliche Verfechter der Krippe die “chancenfördernden” Effekte “früher Bildung” an eine Voraussetzung: Die Qualität der Einrichtungen müsse dafür ein gutes bis sehr gutes Niveau erreichen. Tatsächlich ist Deutschland weiterhin deutlich davon entfernt, wie die Bertelsmann Studie zeigt:

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Bertelsmann Stiftung Pressemeldung  25.07.2014

Zu wenig Erzieherinnen in Kitas

QUALITÄT BLEIBT IN DER FRÜHKINDLICHEN BILDUNG OFT AUF DER STRECKE

Die Bildungschancen innerhalb von Deutschland unterscheiden sich erheblich. Auffällig ist besonders ein Gefälle zwischen Ost und West.

In der frühkindlichen Bildung bleibt gute Qualität oftmals auf der Strecke, weil viele Kindertageseinrichtungen nicht genügend Erzieherinnen haben. Die Personalschlüssel für Kitas in Deutschland weichen teilweise erheblich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab und sind zudem von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. (…..)

Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Deutschland verbindlich gelten, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich.

Weil eine Erzieherin aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub höchstens 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für pädagogische Arbeit nutzen kann, betreut sie im Osten tatsächlich mindestens acht und im Westen fünf Kinder.

Den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 3 entsprechen bei den Krippen derzeit am ehesten die Personalschlüssel in Bremen (1 zu 3,2) und Baden-Württemberg (1 zu 3,3). (…)

Teamsitzungen, Fortbildung oder die Kooperation mit anderen Institutionen. Für diese Aufgaben benötigt sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit. Hieraus ergibt sich bei einem Personalschlüssel von 1 zu 3 im Kita-Alltag eine Fachkraft-Kind-Relation von einer Vollzeitkraft zu vier Ganztagskindern.

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         Das politische Echo auf diesen längst bekannten Befund (vgl. HBF 12.10.07) vertieft diese Zweifel noch weiter:

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SPIEGEL Online 27. Juli 2014, 15:25 Uhr

Kinderbetreuung

SCHWESIG VERSCHIEBT KITA-QUALITÄTSGESETZ UM JAHRE

In vielen Kitas werden Kinder mehr verwahrt als gefördert. Doch Familienministerin verschiebt nach Informationen des SPIEGEL ein geplantes Qualitätsgesetz, das mehr Personal garantieren soll, auf nach 2017. Die Länder fürchten die Kosten besserer Betreuung.

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All das ficht die Kritiker/innen des Betreuungs(-Taschen-)gelds nicht an. Konsequenterweise kämpfen sie um weniger (Wahl)Freiheit für „Risikoeltern“ in Namen des „Bildungsprimats (HBF-Premium)

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Zum Thema siehe auch:

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