Mehr Partnerschaft, mehr gute Arbeit und mehr Zeit für Kinder!
– Wenn Familienpolitikerinnen sich ihre Welt ausmalen
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HBF-Aktuell, Tübingen 26. September 2014, erstellt 18:00 Uhr, Stand 20:15 Uhr
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Bei der heutigen Bundestagsdebatte um das “Elterngeld Plus” und eine flexiblere Elternzeit zeichnete nicht nur die Opposition ein Bild der familienpolitischen Möglichkeiten (HPL) in unserer alternden Arbeitsmarktgesellschaft dessen Abstand zur Wirklichkeit (HPL) zumindest bemerkenswert ist. Immerhin bekannten sich die Regierungsparteien offen zur der für sie entscheidenden Richtschnur ihres Handelns (HPL) – wenn auch mit vereinzeltem Unbehagen (HPL). Dabei signalisierte ein CDU-Vertreter die Bereitschaft seiner Partei, der AfD weiteres familienpolitisches Terrain zu überlassen (HPL – vgl. dazu auch HBF 2014).
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HBF-VOLLTEXT
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Bei der heutigen Bundestagsdebatte um das “Elterngeld Plus” und eine flexiblere Elternzeit zeichnete nicht nur die Opposition ein beachtliches Bild der familienpolitischen Möglichkeiten in unserer alternden Arbeitsmarktgesellschaft:
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Tagesaktuelles Plenarprotokoll, Berlin, Freitag, den 26. September 2014
*** bis bis 12.00 Uhr *** wird fortlaufend aktualisiert ***
Beginn: 9.00 Uhr
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (…)
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Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(…) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zu den harten Fragen gehört übrigens auch die Frage nach der Entgeltgleichheit. Wenn Frauen fast ein Viertel weniger verdienen als Männer, dann ist doch klar, dann ist es doch individuell betrachtet rational absolut nachvollziehbar, warum sich junge Paare schwuppdiwupp in klassischen Rollenmustern wiederfinden, die sie selbst gar nicht mehr leben wollen. Es ist unsere Aufgabe, jungen Familien zu ermöglichen, so zu leben, wie sie selbst es sich vorstellen. Das ist für mich echte Wahlfreiheit. Viele Familien können das heute nicht. Hier besteht ganz dringender Handlungsbedarf. Wir können nicht bis nach der nächsten Wahl warten. (…)
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Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
(…) Natürlich brauchen wir dazu auch eine familienfreundlichere Arbeitswelt und -kultur. Es sind eben nicht die Familien, die sich dem Arbeitsmarkt anpassen müssen, sondern andersherum. In Deutschland haben wir einen wirklich schlechten Mix. Wir haben die Präsenzkultur, kombiniert mit der weitverbreiteten Dauererreichbarkeit. Präsenzkultur und Dauererreichbarkeit führen zum Burn-out, wie wir es vorhin schon gehört haben. Auch in diesem Fall sollten wir uns unsere europäischen Nachbarn anschauen. In Holland und in Frankreich beispielsweise werden Zeitchartas vorgegeben. (….)
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Auch die SPD als Regierungspartei und Bundesfamilienministerin Manuela demonstrieren einen auffälligen familienpolitischen Optimismus:
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(….)
Dr. Carola Reimann (SPD):
(…) Ministerin hat mit dem Thema Familienarbeitszeiten die zentrale Debatte angestoßen. Heute machen wir den ersten gesetzgeberischen Schritt. Am Ende muss eine Gesellschaft stehen, die Familien mehr Zeit lässt, und eine Gesellschaft, in der wir nicht früher fertig sind, sondern gemeinsam länger zufrieden. (…)
(….)
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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundesministerin Manuela .
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Manuela , Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
(…) Meine Idee einer Zeitpolitik für Familien ist, dass man sich die Zeit für Job und für Familie partnerschaftlich teilen kann. Wir wollen ein Arbeitszeitmodell für Familien gestalten, das beides ermöglicht: einen guten Job mit gutem Einkommen und guten Perspektiven zu machen, aber auch gleichzeitig Zeit für die Familie zu haben. Deshalb habe ich die Debatte über eine Familienarbeitszeit angestoßen. (…)
Mit dem neuen Elterngeld Plus machen wir heute den ersten wichtigen Schritt. (….)
Nicht die Familien müssen immer arbeitsfreundlicher werden, sondern die Arbeitswelt familienfreundlicher. Das ist dann eine Win-win-Situation für Arbeitswelt und Familie. (….)
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Tatsächlich ist der Abstand zwischen diesen vermeintlichen Möglichkeiten der Familienpolitik zur Wirklichkeit beträchtlich, wie schon der Blick in die Tagespresse zeigt:
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Taz 26.09.14
FREIBERUFLER
Faire Arbeit
Bildungsträger wie der Deutsche Gewerkschaftsbund prangern prekäre Beschäftigung an – klammern sich selbst dabei aber aus
Wider besseres Wissen
Zwischen Selbstständigen und dem Bildungswerk des DGB kommt es zum Eklat, als die Freien ihre schlechte Bezahlung zum Thema machen. Die Ereignisse stehen symptomatisch für eine Branche, in der Kritik als Vertrauensbruch gewertet wird
Von Anna Lehmann
zum Hintergrund siehe:
Berliner Zeitung Wirtschaft – 05.04.2013
Honorarkräfte
Prekäre Lehrer
Lebenslanges Lernen gilt in Deutschland als gesellschaftliches Ziel. Doch viele Selbstständige in der Weiterbildungsbranche können von den Honoraren kaum leben. Bleiben mehr als 1000 Euro nach Abzug der Sozialabgaben übrig, ist es ein guter Monat. Eine betroffene Lehrerin schildert ihre Lage.
Von Danijel Majic
Auch für Integrationskurse ist das Budget knapp.
Foto: imago/michael
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Taz 26.09.14
BETREUUNG
Brandbrief für die Kleinsten
Rund 600 Kita-Leitungen schreiben an Bürgermeister Olaf Scholz: Erzieher seien dem Burnout nahe, es brauche mehr Personal. Senat sieht keinen Spielraum
Von Kaija Kutter
Zur “eltern- und kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands” wolle er Hamburg machen, sagt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Aber tut er dafür das Richtige? “Hinter der schönen Fassade bröckelt es gewaltig”, heißt es in einem Brief, der nächste Woche an Scholz übergeben wird. Unterschrieben haben bisher mehr als 600 Kita-Leitungen.
In ihrer Verantwortung lägen Entwicklung und Bildung “fast aller Hamburger Kinder”, heißt es darin. Diese gut auf das weitere Leben vorzubereiten, das sei der Anspruch. Aber diese Aufgabe lasse sich nicht mehr im “notwendigen Maße sicherstellen”. (….)
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und HBF-Premium
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Immerhin bekannten sich die Regierungsparteien offen zur der für sie entscheidenden Richtschnur ihres Handelns….:
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Manuela , Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
(…) Das zweite Vorurteil ist: Wir belasten die Wirtschaft. ‑ Hallo? Das Gegenteil ist der Fall. Wenn mehr Frauen Zeit für den Job haben und leichter wieder in den Beruf einsteigen können, dann entspricht das doch dem, was sich die Wirtschaft wünscht: gutes Fachkräftepotenzial zu haben. Das Potenzial für unserer Wirtschaft liegt bei den Frauen, wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, zu Recht gesagt hat. (…)
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Dr. Silke Launert (CDU/CSU):
(….) Zu dem anderen Aspekt, dem Elterngeld Plus. Man muss sehen: Natürlich fördern wir ganz gezielt die Erwerbstätigkeit von Frauen in einem sehr frühen Stadium. Wir fördern, dass eine Frau früh wieder arbeiten geht, also nach der Geburt eines Kindes nicht ein Jahr zu Hause bleibt, sondern teilschichtig arbeitet, sodass sie die Anzahl ihrer Elternmonate verdoppeln kann.
Natürlich stimmt der Vorwurf: Ist das nicht eine gewisse Vorgabe? (….)
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Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):
(….) Die zentralen Punkte des Elterngeldes sind: Die Kombination aus Teilzeiterwerbstätigkeit und Elterngeldbezug muss attraktiver gemacht werden. Das ist auch im Sinne der Arbeitgeber. Wenn junge, gut ausgebildete Frauen vor 40 Jahren Mütter wurden, haben sie als Fachkräfte meistens den Arbeitsmarkt verlassen und sind erst nach sechs oder zehn Jahren zurückgekehrt. Mit dem Elterngeld Plus schaffen wir Angebote, die es Frauen ermöglichen, als Teilzeitkräfte früher in den Beruf zurückzukehren. Das führt dazu, dass die Arbeitgeber früher wieder auf diese Fachkräfte zurückgreifen können. (….)
In dem Zusammenhang gibt es für uns einen wichtigen Punkt: die Belastung für die Wirtschaft. Er wird immer wieder angesprochen. Wir Familienpolitiker müssen immer schauen, dass unsere Maßnahmen den Erfordernissen der Wirtschaft nicht widersprechen. Unser Grundansatz ist: Wenn der Arbeitgeber Teilzeitarbeit ermöglicht, dann müssen wir anerkennen, dass das eine schwierige Situation für den Arbeitgeber ist. Deswegen ist die Absprache bzw. die Rückkopplung mit der Wirtschaft zentral; denn der Wohlstand, den wir haben, ist einer gut funktionierenden Wirtschaft zu verdanken. Ihn sollten wir nicht aufs Spiel setzen.
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Immerhin gibt es bei dieser arbeitszmarktzentrierten Ausrichtung der “Familienpolitik” (noch) vereinzeltes Unbehagen:
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Dr. Silke Launert (CDU/CSU):
(…) So sehr ich es unterstütze, wenn Frauen früh wieder arbeiten, so sehr muss ich es ablehnen, wenn man immer wieder darüber herzieht. Man muss auch sagen: Gerade in den Familien, wo einer beruflich mehr zurücksteckt als der andere und zu Hause bleibt, werden oft mehr Kinder geboren. Ganz ehrlich: Drei Kinder haben, Karriere machen und auch noch ehrenamtlich engagiert sein, das führt definitiv in den Burn-out. (…)
weitere Einzelheiten bei HBF-Premium
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In der Bundestagsdebatte zum “Elterngeld Plus” gab es schließlich noch ein bemerkenswertes Signal: Ein CDU-Vertreter deutete faktisch die Bereitschaft seiner Partei an, der AfD weiteres familienpolitisches Terrain zu überlassen (HBF-Premium – vgl. dazu auch HBF 17.09.14)…..
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Zum Thema siehe auch:
“ELTERNGELD-pLUS” und “Familienarbeitszeit” – Das falsche Versprechen an die Eltern / HBF-Beitrag in PUBLIK-Forum (HBF 26.09.14)
HBF-Themen-Archiv “Alterung /….Reaktion”
HBF-Themen-Archiv “Arbeitsmarkt- statt Familienpolitik
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Der Blick für`s ganze – HBF-INFODIENST!