Höchstrichterliche VERTEIDIGUNG DER EHE:
Festhalten am „VERSTAUBTen Familienbild“?
– Die LebensERFAHRUNG spricht dagegen
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HBF-Aktuell, Tübingen 24. November 2014, erstellt 14:24 Uhr, Stand 16:00 Uhr
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Ein höchstrichterliches Urteil bekräftigte letzte Woche den verfassungsrechtlichen Vorrang der Ehe (HPL). Das hat zunächst Kritiker/innen (HPL) und jetzt auch die Bundesfamilienministerin auf den Plan gerufen (HPL). Ihrer Ansicht nach sei das juristisch abgesicherte Familienbild längst überholt (HPL). Tatsächlich verzeichnen Statistiker bei den Familienstrukturen einen erheblichen Wandel (HPL). Eine letzte Woche veröffentlichte Studie (HPL) bestätigt allerdings mit neuen Fakten die sachliche Berechtigung für die bisherig Hierarchisierung der unterschiedlichen Familienformen (HPL).
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HBF-VOLLTEXT
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Das Bundessozialgericht in Kassel bekräftigte letzte Woche bei seiner Entscheidung zur Kostenübernahme der Krankenkassen für künstliche Befruchtungen den verfassungsrechtlichen Vorrang der Ehe:

(…) Die beklagte Bundesrepublik Deutschland lehnte es rechtmäßig ab, die Satzungsänderung zu genehmigen, die eine Kostenübernahme für künstliche Befruchtung bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft vorsieht. Das Gesetz ermächtigt lediglich zu “zusätzlichen” Leistungen kraft Satzung, zB zur Übernahme von nicht nur 50 vH, sondern 75 vH der notwendigen Kosten. Die Satzung sollte dagegen gesetzesfremde Leistungen ermöglichen. Die Begrenzung auf miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination prägt den gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung. Ihm liegt verfassungskonform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann.
Das Gesetz durfte die Ehe als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. Hiervon weicht die betroffene Satzungsregelung grundlegend ab.
LSG Berlin-Brandenburg     – L 1 KR 435/12 KL –
Bundessozialgericht           – B 1 A 1/14 R –
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(aus: Terminbericht Nr. 51/14. BUNDESSOZIALGERICHT – Pressestelle – Kassel, den 19. November 2014)

Das hat zunächst Kritiker/innen (nicht nur) aus dem rot-grünen Spektrum auf den Plan gerufen….

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SIMONE SCHMOLLACK ÜBER DAS URTEIL ZUR KÜNSTLICHEN BEFRUCHTUNG
Verstaubtes Familienbild
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(…) Ledige Paare, die auf natürlichem Wege keine gemeinsamen Kinder zeugen können, müssen das weiterhin komplett selbst bezahlen.
Das ist nicht gerecht. Und das ist verstaubt. Das Urteil suggeriert, dass Paare mit Kinderwunsch und Trauschein mehr wert sind als Paare mit Kinderwunsch und “Lotterleben”. Das ist nicht nur ein falsches Signal, es geht vor allem an der Realität vorbei.
Zwar wachsen noch immer mehr Kinder mit Eltern auf, die miteinander verheiratet sind – ob nun mit dem biologischen Elternteil oder in Zweitehe. Unabhängig davon steigt die Zahl der Frauen und Männer, die sich einen gemeinsamen Kinderwunsch erfüllen wollen, ohne gleich heiraten zu müssen. Die Ehe an sich verliert an Wert, nicht aber die gemeinsame Sorge füreinander. Darüber hinaus ist die Ehe keine Garantie mehr für lebenslanges Zusammenleben – wie die hohen Scheidungszahlen belegen. (…)
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Ärzte Zeitung App, 20.11.2014

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Kommentar zum IvF-Urteil
SGB V und das pralle Leben
Von Florian Staeck
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Politik fängt damit an, Lebenssachverhalte zur Kenntnis zu nehmen. In Deutschland haben unverheiratete Paare keinen Anspruch, von einer gesetzlichen Krankenkasse bei den Kosten für eine künstliche Befruchtung unterstützt zu werden. (…)
Ein Blick auf die Lebensrealität in Deutschland: 8,1 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern leben hierzulande. In 74 Prozent der Familien aus den alten Ländern sind die Partner verheiratet, im Osten trifft das auf nur 51 Prozent zu.  Alle übrigen Kinder wachsen bei Alleinerziehenden oder in “wilden Ehen” auf. Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden Eheleute als Partner einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft angesehen. Zu Recht, angesichts von 169.833 Scheidungen im Jahr 2013? Lebensentwürfe sind im Wandel. Es wäre an der Zeit, dass sich dies auch im Sozialgesetzbuch V spiegelt.
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  ….und jetzt auch die Bundesfamilienministerin aktiv werden lassen, wie der SPIEGEL heute berichtet:

 

Der Spiegel 24.11.2014, Nr.48
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Familienplanung
MEHR RECHTE FÜR UNVERHEIRATETE
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Nach dem Willen der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sollen Krankenkassen die Kosten für künstliche Befruchtungen auch bei unverheirateten Paaren übernehmen.
„Es ist nicht mehr zeitgemäß, diese Paare anders zu behandeln als Verheiratete“, sagt sie. Man könne nicht einerseits beklagen, dass so wenige Kinder geboren würden, und andererseits Versuche mit künstlicher Befruchtung an Geld scheitern lassen, argumentiert Schwesig. (….)

 

 

 

 

 

Die notwendige Korrektur des juristisch abgesicherten Familienbildes ergäbe sich vor allem mit Blick auf den deutlichen Wandel der Familienstrukturen. Der ist selbst im konservativ-bodenständigen Baden-Württemberg zu beobachten, wie das Statistische Landesamt unlängst berichtete (HBF-Premium)

Konservative Kommentatoren und Politiker möchten dennoch an der bisherigen Bevorzugung von Ehepaaren festhalten (HBF-Premium).

Die letzte Woche veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt allerdings mit neuen Fakten die sachliche Berechtigung für die bisherige Hierarchisierung der unterschiedlichen Familienformen.

Primäre Grundlage der Studie sind Erkenntnisse aus 54 jeweils zweistündigen tiefenpsychologischen Interviews der qualitativ-psychologischen Wirkungsforschung, die im 2. Quartal 2014 vom rheingold institut durchgeführt wurden. Ziel dieser Interviews war es, möglichst viel über die politischen Einstellungen der Befragten und den Grad ihrer darin zum Ausdruck kommenden Zukunfts- bzw. Gegenwartsorientierung zu erfahren. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob und inwieweit die unterschiedlichen Grade der Zukunftsorientierung sich durch Alter bzw. Generationszugehörigkeit und das Kinderhaben erklären lassen. (…)
Auch die GENERATION BIEDERMEIER”, die das zweite Jahrzehnt unseres Jahrtausends bestimmt, hat eine tiefe Sehnsucht nach Stabilität und Verlässlichkeit. Ihr Lebensgefühl ist diametral anders als das vieler Jugendlicher der 68er-Generation. Die Welt erscheint ihnen heute nicht mehr als borniert und betoniert, sondern als heillos zerrissen und brüchig. Diese Brüchigkeitserfahrungen werden oft schon in der Kindheit gemacht. Auseinanderbrechende Familien, alleinerziehende Mütter, Patchwork-Familien oder dissertierende Väter prägen mittel- oder unmittelbar die Lebenswirklichkeit. Brüchig wird aber auch die Sphäre des Politischen erlebt. Eine kafkaeske Krisenpermanenz, zwei Bundespräsidenten, die zurücktreten und sogar ein Heiliger Vater, der demissioniert, schüren die Zweifel an der Verlässlichkeit der privaten und staatlichen Institutionen – und wecken Ängste, in dieser zerrissenen Welt jederzeit abstürzen zu können. (…)
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(aus: GENERATION WAHL-O-MAT. Fünf Befunde zur Zukunftsfähigkeit der Demokratie im demographischen Wandel. Rheingold Institut und Bertelsmann Stiftung. November 2014. S. 8 und  S. 40)

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Zum Thema siehe auch:

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