Kinderschwund „gestalten“ statt stoppen!
– Schwarz-Rotes Regierungsvorhaben hat immer noch mit „Startschwierigkeiten“ zu kämpfen
/ „Moderne Väter“ als neuer demographischer Risikoposten
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HBF-Aktuell, Tübingen, 13. Januar 2014, erstellt 17:10 Uhr, Stand 21:10 Uhr
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Die Korrektur des anhaltenden Geburtenrückgangs gehört laut Koalitionsvertrag nicht mehr zu den „Herausforderungen“, die die schwarz-rote Bundesregierung für sich sieht (vgl. HBF 2013). Das hat Bundesfamilienministerin Manuela in einem Interview gerade erst bekräftigt (HPL). Statt dessen konzentriert sich das Regierungsbündnis darauf, die Folgen des Kinderschwunds zu „gestalten“.
Allerdings ist auch das kein einfaches Unterfangen, was die derzeitigen „Startschwierigkeiten“ (HPL) erkennen lassen. Als problemverschärfend könnten sich zudem die „neuen Väter“ erweisen, wie politische Beobachter/innen fürchten (HPL) und eine heute veröffentlichte Studie – aus wiederum anderen Gründen – ebenfalls nahe legt (HPL).
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HBF-Volltext-Version
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Die Korrektur des anhaltenden Geburtenrückgangs gehört laut Koalitionsvertrag nicht mehr zu den „Herausforderungen“, die die schwarz-rote Bundesregierung für sich sieht (vgl. HBF 27.11.13) – obwohl das Bedürfnis und die Notwendigkeit zur Debatte über die hinderlichen Rahmenbedingungen für junge Paare mit Kinderwunsch weiterhin besteht, wie einige Medien durchaus erkennen:
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DER SPIEGEL 27.11.13, Nr. 48/2013, S. 156-157
ESSAY
Die große Erschöpfung
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in diesem Land immer noch ein Traum.
Von Claudia Voigt
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F.A.S., Sonntag, den 05.01.2014 Feuilleton 37
MAN MUSS WAHNSINNIG SEIN, HEUTE EIN KIND ZU KRIEGEN
Wie die tollste Sache der Welt in unserer Gesellschaft für viele zu einem Albtraum geworden ist und wie man das wieder ändern könnte
Kinder sind so etwa das Tollste, was es gibt, aber ich habe wahnsinnige Angst davor, welche zu haben, und habe bislang also keine, obwohl ich wirklich will, habe ich keine, denn alles, was ich über das Kinderhaben höre und lese, ist so furchteinflößend, dass ich manchmal denke: Man muss ja total wahnsinnig sein, auf die Idee zu kommen, wirklich ein Kind zu kriegen.
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EinsPlus Mittwoch, 08.01.14, 21:45 – 22:15 (30 Min.)
Klub Konkret
Haben wir Angst vorm Kinder kriegen?
Moderatorin Franziska Storz spricht u.a. mit:
• Saralisa Volm, Schauspielerin, 28 Jahre alt und Mutter zweier Kinder
• Judith Leunissen, Beratungsstelle Pro Familia
• Daniel Bröckerhoff, Reporter und junger Vater
• Eva Schulz, Reporterin, 23 Jahre alt, sie besucht Studenten, die jung Eltern geworden sind
Den Beitrag finden Sie HIER als Video
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Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Sonntag, den 12.01.2014 Politik 6
RUHE, IHR JAMMERFRAUEN!
Eure Ausreden zum Kinderkriegen sind narzisstisch und absurd
Von Florentine Fritzen und Tobias Rösmann
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F.A.Z., Montag, den 13.01.2014 Feuilleton 29, Lesermeinungen (114)
KINDERLOS GLÜCKLICH
Es geht auch ohne, man muss nur wollen
Melanie Mühl
Kinder sind lästig. Ich bin froh, dass ich keins mehr bin und, vor allem: dass ich keins habe. Zumindest ist das im Moment so. Besonders schön ist es am Wochenende. Aber auch unter der Woche bringt es große Vorteile mit sich, wenn nachts keine schlecht träumenden oder unter Übelkeit leidenden Kinder zu einem ins Bett kriechen. (…)
„Kinder sind das größte Glück der Welt. Du weißt gar nicht, was du verpasst!“ Unter glorifizierenden Sätzen wie diesen kann ich mir nichts vorstellen. Klar, ich habe ja auch keine Kinder. Dennoch entbehren solche Sätze jeder Logik. (….)
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Tagesspiegel 11.01.2014 17:06 Uhr
Familienpolitik
Kinder müssen auch gewollt sein
Die Debatte um eine familiengerechte Arbeitszeit ist richtig. Eine staatlich verordnete Arbeitszeitverkürzung oder die Finanzierung aus der Steuerkasse lassen aber eine fatale Steuerungsmentalität befürchten. Notwendig ist auch eine gesellschaftliche Stimmung, in der die individuelle Selbstverwirklichung nicht als zentraler Wert gilt.
von Gerd Nowakowski
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Dennoch hat selbst die Bundesfamilienministerin Manuela (SPD) keinerlei Interesse daran, über die deutschen Kinderbremsen nachzudenken und dagegen politisch aktiv zu werden:
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Tagesspiegel 09.01.2014 09:57 Uhr
Familienministerin Manuela
“KIND UND JOB – BEIDES MUSS MÖGLICH SEIN”
Familienministerin Manuela sprach mit dem Tagesspiegel über ihren Spagat zwischen Amt und Familie, den Umbau der Arbeitswelt und Forderungen der SPD. Für sie persönlich ist am Sonntag Politik tabu.
Manuela (39) ist Familienministerin und stellvertretende SPD-Parteichefin. Zuvor war sie Sozialministerin in Schwerin. – Foto: Thilo Rückeis
Tagesspiegel: Frau , in einer großen Zeitung stand am Wochenende ein Essay mit dem Titel: „Man muss wahnsinnig sein, um ein Kind zu kriegen.“ Ist das so?
Manuela : Im Gegenteil: Es macht wahnsinnig glücklich, ein Kind zu bekommen und großzuziehen.
Tagesspiegel: Aber muss man vielleicht wahnsinnig sein, um ein Kind zu haben und gleichzeitig auch noch zu arbeiten?
Manuela : Nein. Viele Frauen und Männer wünschen sich, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können. Das wird ein Schwerpunkt meiner Familienpolitik sein: Ich will damit aufräumen, dass Eltern immer wieder das Gefühl vermittelt bekommen, sie müssten sich zwischen Kind und Job entscheiden. Beides muss möglich sein. (…)
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Statt dessen konzentriert sich das Regierungsbündnis weiterhin darauf, die Folgen des Kinderschwunds zu „gestalten“.
Allerdings ist das kein einfaches Unterfangen, wie die derzeitigen „Startschwierigkeiten“ erkennen lassen. Sowohl die “demographiegerechte” Finanzierung der Alterssicherung als auch die “gesteuerte Zuwanderung” als pragmatische “Lösung” des politisch hingenommenen Kindermangels sind und bleiben zwischen den Regierungspartnern (und ihrer jeweiligen Wählerschaft) hoch umstritten:
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 11.01.2014
Nahles will Milliarden von Schäuble
Die Arbeitsministerin möchte die Rentenpläne der großen Koalition zügig verwirklichen – und fordert dafür mehr Geld aus der Bundeskasse. Sonst könnten von 2018 an die Beiträge steigen
Von Thomas Öchsner
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Handelsblatt.com 13.01.2014, 11:05:25
Nach Nahles-Vorstoß
“Rentenpolitik ist kein Wunschkonzert”
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will Verbesserungen bei der Rente über Steuermittel finanzieren, die Union ist skeptisch: Bloß keine Steuererhöhungen! Der erste Richtungsstreit der GroKo ist in vollem Gange.
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Faz.net 12.01.14 / F.A.Z. 13.01.14
„Fehlstart“ der Koalition
Ein vergiftetes Bündnis
Wie ein schwarz-gelber Wiedergänger stolpert die große Koalition in die Legislaturperiode. Im Gegensatz zur CDU wissen CSU und SPD, was sie wollen. Deshalb setzen sie munter die Koalitionsverhandlungen fort – mit anderen Mitteln.
Von Jasper von Altenbockum
(…) Zum Konstruktionsfehler dieser Koalition wird der Ausfall der CDU dadurch, dass er die Substanz des Koalitionsvertrags vergiftet hat. Auch hinter eindeutigen Formulierungen verbergen sich Hohlkörper, in die von Leuten, die wissen, was sie wollen, hinein gelesen werden kann, was „eigentlich“ gemeint gewesen ist oder auch „mündlich“ verabredet wurde.
Die Rente mit 63 ist dafür ein schönes Beispiel. Die Aussicht auf eine Steuerfinanzierung nach 2018 ist für Andrea Nahles so wichtig, weil dadurch eine großzügigere Einbeziehung von Zeiten der Arbeitslosigkeit möglich werden könnte, ohne dass deshalb der Rentenbeitrag steigen müsste. Über diesen Punkt gibt es gegensätzliche Interpretationen des Vertrags, in dem im Kapitel über „prioritäre Maßnahmen“ nur der vorbeugende Satz steht, dass der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung schon in der laufenden Legislaturperiode um zwei Milliarden Euro steigen soll.
Koalitionsvertrag hat den Verteilungskampf erst eröffnet
Alle diese „Maßnahmen“ zusammen belaufen sich auf die magischen 23 Milliarden Euro, die nicht unter Vorbehalt stehen. …
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Tagesspiegel 13.01.2014
CSU wettert weiter gegen die EU
Seehofer befeuert Debatte um Armutszuwanderung.
Berlin – In der Debatte um Sozialleistungen für arbeitslose EU-Ausländer geht die Union immer mehr auf Konfrontationskurs zur EU. Es sei „zum Verzweifeln, wie wenig diese EU-Kommission die Lebensrealität der Menschen in Europa zur Kenntnis nimmt“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer dem Magazin „Spiegel“. „Beinahe jede Woche kommt diese EU-Kommission mit einem Vorschlag, der entweder Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet oder die Zustimmung der Bevölkerung zur europäischen Idee“, sagte Seehofer weiter. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte in dem Magazin vor einem „Freifahrtschein in das deutsche soziale Sicherungssystem“. Unionsfraktionschef Volker Kauder nannte die Haltung der Kommission in der „Bild“-Zeitung vom Samstag „völlig inakzeptabel“. (…)
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Als problemverschärfend könnten sich zudem die „neuen Väter“ mit ihrem Wunsch nach längeren Zeiten in ihren Familien erweisen, wie politische Beobachter/innen argwöhnen:
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F.A.Z., Samstag, den 11.01.2014 Wirtschaft 11
Die Zeitpolitiker
Von Heike Göbel
Mit Manuela ist wieder eine Familienministerin im Amt, die der Wirtschaft, den Familien und dem Steuerzahler einiges abverlangen wird. (…) Den Vorstoß hat die Kanzlerin zwar gestoppt. Den Eifer der Zeitpolitiker im Kabinett wird das aber nicht bremsen. Doch Arbeitsplätze werden durch immer neue Gesetze zur Familienfreundlichkeit teurer. Wie viel Freizeit sich Deutschland leisten kann, wird sich zeigen. Wenn Vater und Mutter keine Arbeit mehr finden, wäre das immer noch die schlechteste Familienpolitik.
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ZEIT Online 10. Januar 2014 19:57 Uhr 111 Kommentare
NEUE VÄTER, NEUE PROBLEME
Moderne Väter nehmen Auszeiten und reduzieren den Job. Davon profitieren Kinder, Frauen und die Gesellschaft. Aber es bahnt sich ein ganz neuer Konflikt an.
von Kostas Petropulos
(…) Ökonomen und Arbeitsmarktexperten sehen andere Probleme auf Deutschland zukommen als zu wenig Zeit für Kinder: Angesichts der Alterung von Deutschlands Bevölkerung könnten trotz Einwanderung bis 2025 mehr als fünf Millionen Fachkräfte fehlen. Welche Auswirkungen das auf die staatlichen Aufgaben und die erworbenen Ansprüche auf die Sozialversicherungen hat, mag sich niemand ausmalen. Laut dem Freiburger Finanzexperten Bernd Raffelhüschen übertrifft die in den Sozialkassen angehäufte Staatsschuld die Wirtschaftskraft derzeit um das Vierfache.
Angesichts dieser bedrohlichen Aussichten will die Regierung, dass vor allem mehr Mütter möglichst in Vollzeit erwerbstätig sind. Die Bundesagentur für Arbeit schlägt in einem Strategiepapier vor, die wöchentliche Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter von gegenwärtig 42 auf 44 Wochenstunden zu erhöhen. (…)
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siehe dazu auch:
SÜDWEST PRESSE 11.01.2014
Familienpolitik: s Visionen
Bundesfamilienministerin Manuela will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine steuerfinanzierte 32-Stunden-Woche für Eltern voranbringen. Doch in Deutschland hapert es anderswo. Ein Kommentar.
Axel Habermehl |
(…) Berufstätige, die in einem Alter sind, in dem man für gewöhnlich Familien gründet, haben sich längst an flexible Arbeitszeiten, dauernde Verfügbarkeit und regelmäßige Überstunden gewöhnt. Nun sind mal die Unternehmen an der Reihe, Verständnis für das Selbstverständliche zu zeigen. Wenn junge Eltern phasenweise kürzer treten müssen, weil sie sich um den Nachwuchs kümmern, bedeutet das nicht, dass sie keine Karriere machen wollen.
Doch für diese Einsicht braucht es offenbar tatsächlich eine Vision, und zwar eine gesellschaftliche. Vielleicht sollte Deutschland mal damit anfangen, eine funktionierende Wirtschaft als Mittel zu dem Zweck zu betrachten, Menschen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Nicht als Wert an sich.
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Die “neuen Väter” könnten schließlich noch in anderer Hinsicht zum “Risiko” für die alternde Gesellschaft werden. Laut der heute veröffentlichten Forsa–Studie “Väter 2014 – zwischen Wunsch und Wirklichkeit” im Auftrag der Zeitschrift ELTERN wollen einerseits gerade die jungen Väter verstärkt am Familienalltag teilnehmen, andererseits haben sie zugleich den Anspruch, die Rolle als Familienernährer wahrzunehmen. Allerdings überfordern sie sich wohl damit, wenn nur:
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58 Prozent der Väter (finden), dass ihr Leben dank der Geburt ihres Kindes “glücklicher und erfüllter” geworden ist.
(aus: Große ELTERN-Studie: “Väter 2014 – zwischen Wunsch und Wirklichkeit”. Gruner +Jahr PRESSEMITTEILUNG 13.01.14)
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Forsa-Chef Güllner wurde bei der Vorstellung der Umfrage sogar noch deutlicher. Betrachte man alle negativen Begleiterscheinungen der Vaterschaft zusammen, dann müsse man feststellen:
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“Wenn man die Negativ-Anklänge zusammenfaßt, dann sind die größer als das Gefühl, daß man durch das Kinder glücklicher geworden ist“.
(aus: Forsa-Studie: “Väter 2014 zwischen Wunsch und Wirklichkeit”. Deutschlandfunk 13. Januar 2014, 18:34 Uhr)
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Das ist kein ermutigendes Ergebnis. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß der Wunsch nach Kindern nicht nur (wieder) tendenziell sinkt (vgl. HBF 23.09.13), sondern gerade bei Männern noch deutlich geringer als bei Frauen ist (vgl. HBF-Statistik), wird eine demographische Trendwende trotz der “neuen Väter” noch unwahrscheinlicher.
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Zum Thema siehe auch:
- HBF-Themen-Archiv “Alterung.http://www.heidelberger-familienbuero.de/ Reaktionen”
- HBF-Themen-Archiv “Vereinbarkeit von Familie und Beruf”
- HBF-Themen-Archiv “Keine Zeit für…Familie”