Geburtenrückgang in Deutschland:

Falsche Familienleitbilder als wahre Kinderbremse?

– Neue Studie der Konrad Adenauer Stiftung mit ideologischem Tunnelblick

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HBF-AKTUELL Tübingen 30. Juni 2014, erstellt 20:14 Uhr, Stand 1. Juli, 09:30 Uhr, Ergänzung 02.07.14, 14:04 Uhr

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Der langzeitstabil-niedrige Geburtenrate in Deutschland ist auf die herrschenden, überholten Familienleitbilder im Land zurückzuführen – so die zentrale These einer heute veröffentlichten Studie der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) (HPL). Da die (Familien)Politik mit ihren institutionellen Rahmenbedingungen diese Leitbilder in der Gesellschaft und bei jungen Paaren stabilisieren oder verändern könne, seien hier Korrekturen notwendig (HPL). Richtschnur müsse dabei die Schaffung von mehr “Wahlfreiheit” für Eltern sein (HPL). Dazu gehöre einerseits, die Vielfalt von Familien- und Lebensformen “vorbehaltlos zu akzeptieren” (HPL), andererseits die widersprüchlichen Signale der zahlreichen familienpolitischen Maßnahmen durch eine “deutliche Zielorientierung” zu ersetzen (HPL).  Zudem müsse die Politik dafür werben, die überzogenen Qualitätsansprüche der Eltern an sich selbst und an die staatlich organisierten Betreuungseinrichtungen zurückzunehmen (HPL).

Mit diesen (z.T. nicht ganz taufrischen – vgl. z.B. HBF 2013) Forderungen demonstriert die renommierte Autorengruppe der KAS-Studie allerdings ein hohes Maß an Realitätsverweigerung. Sie geringschätzen nicht nur die strukturellen Zwänge, denen sich junge Paare mit ihren berechtigten Erwartungen heute in unserer hocheffizienten Wettbewerbsgesellschaft ausgesetzt sehen (HPL). Hinzu kommt die Tatsache, daß wesentliche Empfehlungen durch die vorgelegte Analyse schlicht nicht gedeckt sind (HPL). Unterm Strich liefert die neue Studie der Konrad Adenauer Stiftung daher keine plausiblen Ansätze, um die demographische Talfahrt im Lande zu stoppen.

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HBF-VOLLTEXT

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Der langzeitstabil-niedrige Geburtenrate in Deutschland ist auf die herrschenden, überholten Familienleitbilder im Land zurückzuführen – so die zentrale These einer heute veröffentlichten Studie der Konrad Adenauer Stiftung (KAS):

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Konrad-Adenauer-Stiftung 30.06.14, S. 9

FAMILIENLEITBILDER IN DEUTSCHLAND

Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung

Norbert F. Schneider, Sabine Diabaté, Detlev Lück – (Hg.) Christine Henry-Huthmacher,

Seit Mitte der 1970er Jahre gehört Deutschland weltweit zu den Ländern mit niedrigster Fertilität. (…) Deutschland befindet sich gegenwärtig in einer Spirale niedriger Fertilität, in der demografische und gesellschaftliche Faktoren in ungünstiger Weise zusammenwirken und sich Prozesse der Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung weiter beschleunigen. (…)

In diesem Kontext ist zu klären, (1) wodurch das Geburtengeschehen, konkreter das generative Verhalten, beeinflusst wird und (2) warum Deutschland über einen so langen Zeitraum eine derart niedrige Geburtenrate aufweist. (….)

Nachdem sich die Untersuchung des Geburtengeschehens lange Zeit auf die Bedeutung ökonomischer Faktoren konzentriert hat, wobei die gestiegenen Opportunitätskosten von Elternschaft im Fokus standen, sind neuerdings die Bedeutung kultureller Leitbilder sowie die Relevanz der sozialen Infrastruktur in den Vordergrund gerückt (….)

Gerade im Hinblick auf kulturelle Leitbilder zeigt der europäische Vergleich einen ausgeprägten Zusammenhang zwischen dem Fortbestand traditioneller Orientierungen und einer niedrigen Geburtenrate. (…)

(…) Das Leitbild der idealen Partnerschaft, bei der es um exklusiv verbrachte Zeit zu zweit geht, um die Beziehung zu pflegen und zu vertiefen, konkurriert besonders mit dem kindzentrierten Mutterleitbild. Aufgrund der vielen genannten Widersprüchlichkeiten ist es naheliegend, dass Familienleitbilder wie das der „verantworteten Elternschaft” direkt mit der Entscheidung für oder gegen (weitere) Kinder zusammenhängen.

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Da die (Familien)Politik mit ihren institutionellen Rahmenbedingungen diese Leitbilder in der Gesellschaft und bei jungen Paaren stabilisieren oder verändern könne….:

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Die Öffentlichkeit, die zum einen durch institutionelle Regelungen, wie die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen oder den Arbeitsmarkt, und zum anderen durch Deutungsgeber wie die Medien, politischhe Parteien oder Religion und Kirche geprägt ist, beeinflusst die Entstehung, Etablierung, den Wandel und die Verbreitung von Familienleitbildern. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen beispielsweise im Steuerrecht begünstigen die Alleinverdienerehe. (….)

Umgekehrt werden bereits in der Gesellschaft existierende, weit verbreitete kollektive Leitbilder von der Öffentlichkeit aufgegriffen und verstetigt, z.B. fixiert in gesetzlichen Regelungen und normativen Konzepten, die z.B. medial transportiert werden oder auch in den Kirchen bzw. Gemeinden vermittelt werden, da sie fester Bestandteil eines bestimmten religiösen Lebenskonzeptes sind. Dadurch beeinflussen sie die Entscheidungen von einzelnen Personen, d.h. Familienleitbilder dienen als Orientierung für die individuelle Lebensgestaltung. Familienleitbilder wiederum können auch umgekehrt Einfluss nehmen z.B. auf institutionelle Regelungen und durch Gesetze verfestigt werden. (…)

Auf der individuellen Verhaltensebene der einzelnen Akteure werden Leitbilder gelebt und wirken nach den bereits beschriebenen Mechanismen auf die Familiengründung und -erweiterung. Hierbei gibt es Familienleitbilder, die von vielen Akteuren kollektiv geteilt werden, wie zum Beispiel die weitverbreitete Vorstellung in Westdeutschland, dass Einzelkinder idealerweise ein Geschwisterkind brauchen. Dieses Leitbild der idealen Kinderzahl, d.h. zwei Kinder zu haben, verschmilzt zu einem kollektiven Leitbild als Makrophänomen.

Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Legislative, da sie nachhaltig Leitbilder verfestigen, verändern und neue Leitbilder generieren kann.(….)

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(aus: ebda. S. 27)

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…. seien hier Korrekturen notwendig. Richtschnur müsse dabei die Schaffung von mehr “Wahlfreiheit” für Eltern sein. Dazu gehöre einerseits, die Vielfalt von Familien- und Lebensformen “vorbehaltlos zu akzeptieren”, andererseits die widersprüchlichen Signale der zahlreichen familienpolitischen Maßnahmen durch eine “deutliche Zielorientierung” zu ersetzen:

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Das strategische Handlungsziel einer zukunftsorientierten Familienpolitik sollte die Verbesserung der Lebensqualität durch mehr Wahlfreiheit sein.  (…..)

(….) Strategisch gilt es zwei Kernziele zu realisieren: Zum einen geht es darum, der Vielfalt von Familien- und Lebensformen, in denen Menschen heute füreinander Verantwortung übernehmen, besser gerecht zu werden. Zum zweiten müssen die Inkonsistenzen und Widersprüche zwischen den vielen verschiedenen familienpolitischen Maßnahmen ausgeräumt und eine deutliche Zielorientierung entwickelt werden. Eine moderne Familienpolitik muss also strategisch angelegt, konsistent und auf klare Ziele hin ausgerichtet werden. Sie sollte, soweit möglich, keine Leitbilder vorgeben – auch nicht implizit -, sondern die Vielfalt des Familienlebens und der dahinter stehenden Leitbilder vorbehaltlos akzeptieren. (…)

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(aus: ebda. S. 31)

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Zudem müsse die Politik dafür werben, die überzogenen Qualitätsansprüche der Eltern an sich selbst und an die staatlich organisierten Betreuungseinrichtungen zurückzunehmen:

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■ Förderung des Elternwohls. Gegenwärtig ist Elternschaft durch das Streben nach Pflichtbewusstsein, Perfektionismus und durch übersteigerte Qualitätsansprüche gekennzeichnet, die viele Eltern in ihrer Lebensgestaltung stark einschränken und zudem psychisch belasten, indem sie Versagensängste auslösen. (…) In diesem Zusammenhang sollten die gesellschaftlichen Erwartungen und Ansprüche an Elternschaft relativiert werden: Kindeswohl und Elternwohl sind in eine ausgewogene Balance zu bringen. (…..) Im Namen der Förderung des Kindeswohls wird Elternschaft zunehmend zu einem Kanon von Pflichten umgedeutet, der eine optimale Entwicklung des Kindes gewährleisten soll, jedoch die Bedürfnisse von Eltern sowie die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft außer Acht lässt. Diese Entwicklung sollte im Interesse sowhl der Eltern als auch der Kinder revidiert werden, da eine Vernachlässigung des Elternwohls letztlich auch dem Kindeswohl schadet.(…..)

(….)

■ Wandel des Leitbilds von Kindheit und Kindsein. Die weit verbreiteten Vorstellungen, wie Kinder sind und wie eine ideale Kindheit aussehen soll, basieren auf der Idee der Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit der Kinder. Daraus wird die Notwendigkeit für ein hohes Maß an Beaufsichtigung, Betreuung, Förderung und Fürsorge abgeleitet. Die Förderung des Kindeswohls hat sich zu einer zentralen Aufgabe der Eltern entwickelt. Mehr als bisher ist zu hinterfragen, inwieweit die Idee der besonderen Schutzbedürftigkeit der Kinder und ihre pädagogische und gesellschaftliche Umsetzung der späteren Entwicklung des Kindes tatsächlich zuträglich sind. Kinder sind vielfach robuster und selbständiger als die gängigen Leitbilder dies unterstellen. Vor diesem Hintergrund ist die Debatte darüber, wie die berechtigten Ansprüche an eine gute Kindheit auch durch externe Betreuungseinrichtungen gewährleistet werden können, weiter zu intensivieren. (….)

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(aus: ebda. S. 32 und S. 31)

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Mit diesen (z.T. nicht ganz taufrischen – vgl. z.B. HBF 04.10.13) Forderungen demonstriert die renommierte Autorengruppe der KAS-Studie aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) allerdings ein hohes Maß an Realitätsverweigerung. Sie geringschätzen nicht nur die strukturellen Zwänge, denen sich junge Paare mit ihren berechtigten Erwartungen heute in unserer hocheffizienten Wettbewerbsgesellschaft ausgesetzt sehen. So fällt der Geburtenrückgang gerade in der Gruppe der Akademiker/innen besonders stark aus, deren Anteil an der Bevölkerung – von Politik und Wirtschaft kräftig gefördert – sich ständig weiter vergrößert:

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Rushhour des Lebens (….) Typische Begleiterscheinungen dieser Lebensphase sind Stress, Druck, Hektik, gestiegene Anforderungen, Belastungsniveau, unsichere ökonomische Situation. Diese Rushhour des Lebens betrifft ca. 40 Prozent pro Jahrgang und trifft vor allem die jungen Akademikerinnen. Während Akademikerinnen im Mittel 32,7 Prozent Jahre alt sind bei der ersten Geburt, bekommen Frauen mit Hauptschulabschluss ihr erstes Kind im Durchschnitt mit nur 24,6 Jahren. Die Vereinbarkeitsproblematik stellt sich für Akademikerpaare auch deshalb stärker, da Frauen mit niedrigsten Schulabschlüssen zwischen 40 und 44 Jahren nur zu 60 Prozent erwerbstätig sind, während es Akademikerinnen zu 90 Prozent sind (vgl. Schneider 2014).

Angesichts der Schwierigkeit für viele Akademikerinnen, Partnerschaft, berufliche Karriere und Kind zu leben, schieben viele Akademikerinnen die Familiengründung hinaus und verzichten schließlich ganz auf Kinder oder bleiben ungeplant kinderlos. Wie das Statistische Bundesamt für das Jahr 2012 errechnete, bleiben 30 Prozent der Akademikerinnen kinderlos. Kinderlosigkeit ist heute zu etwas Alltäglichem geworden. Westdeutschland gehört zu den Ländern in der Welt mit dem höchsten Anteil kinderloser Frauen. Kinderlosigkeit ist – wie die Befragung des BiB zeigt – sozial akzeptiert.

(aus: ebda. S. 6)

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Unsere hochflexible und auf Effizienz getrimmte Wirtschaftsgesellschaft verstärkt einerseits das persönliche Bedürfnis nach verläßlicher Partnerschaft als Basis einer Familiengründung/Erweiterung und andererseits steigen damit zugleich die persönlichen Anforderungen an die Paare, um diese Erwartung auch umsetzen zu können:

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Zu den Familienleitbildern in Deutschland gehört nicht nur die Vorstellung, dass man in einer festen Partnerschaft leben sollte, sondern auch eine Reihe von Vorstellungen, durch welche Qualitäten sich eine solche Partnerschaft auszeichnen sollte. Dazu gehören unter anderem Exklusivität, Vertrauen, Dauerhaftigkeit, Liebe, Treue, Offenheit und Aufrichtigkeit sowie wechselseitige verlässliche emotionale, praktische und materielle Unterstützung. (….)

Der letzte Aspekt – die Frage, wie viel Autonomie jeder Partner innerhalb der Partnerschaft haben sollte – wird auch als Nähe-Distanz-Relation bezeichnet. Hier haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Vorstellungen hinsichtlich der „angemessenen” Relation in Richtung eines höheren Grades an Autonomie verschoben. An die Stelle des „Fusionspaares” ist das „Assoziationspaar” (de Singly 1995: 124) getreten, in dem eine gewisse Unabhängigkeit voneinander angestrebt wird, wobei der Grad von Autonomie individuell zu verhandeln ist. Der Einzelne geht nicht in der Beziehung auf. Er bleibt individuelles Subjekt mit eigenen Bedürfnissen, Ansichten und Lebensplänen. Diese müssen mehr denn je mit denen des Partners abgestimmt werden. Gemeinsamkeit und Autonomie müssen heute in Balance gebracht und über den Lebenslauf hinweg immer wieder neu flexibel angepasst werden. (…)

Auf dem Weg zur Familiengründung werden heute materielle Grundlagen, eine stabile Partnerschaft sowie ein Grad an persönlicher Reife als notwendige Voraussetzungen angesehen, die noch vor einigen Jahrzehnten eine vergleichsweise weniger bedeutende Rolle gespielt haben. (…)

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(aus: ebda. S. 19)

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Auch das gerade in Westdeutschland stark verbreitete und von den KAS-Forschern kritisierte Leitbild der „verantworteten Elternschaft” ist keine disfunktionale Einstellung, sondern ein nachvollziehbarer Reflex auf die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft und Wirtschaft:

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Eltern sehen sich heute erhöhten Erwartungen an ihre Professionalität als Erzieher und mit neuen Normen, die von einer gesunden Ernährung bis zur Förderung und Bildung über Kinder reichen, konfrontiert. (…)

(….)

Der Normenkomplex der „verantworteten Elternschaft” beinhaltet nicht nur die Vorstellungen hinsichtlich des richtigen Weges in die Familiengründung, sondern auch zum „richtigen Verhalten” der Eltern gegenüber ihrem Kind. Auch hier sind die Erwartungen der Gesellschaft an die (werdenden) Eltern hoch. Das beginnt in der Schwangerschaft: Alkohol, Zigaretten und bestimmte Nahrungsmittel sind, so die allgemeine Überzeugung, für die werdende Mutter tabu, wenn sie – als verantwortungsvolle werdende Mutter – das Risiko einer gesundheitlichen Schädigung des noch ungeborenen Kindes ausschließen will. Die Selbstbeschränkung hat sich fortzusetzen solange die Mutter stillt. Und auch die Frage, ob und wie lange das Kind natürlich gestillt wird, sollte sich nicht an dem Wunsch der Eltern, sondern an den aktuellen medizinischen Erkenntnissen messen, welche Form des Stillens für die Entwicklung des Kindes in welcher Phase optimal ist. Dies alles setzt voraus, dass sich die werdenden Eltern, insbesondere die werdende Mutter, deren Körper es primär betrifft (vgl. nachfolgender Abschnitt), mit der Ratgeberliteratur auseinandersetzen und auch diverse vorbereitende Kurse besuchen.

Verantwortete Elternschaft bedeutet, dass das Kind regelmäßig und gesund isst (….) dass die Eltern darauf achten, dass es keinen „schlechten Umgang” mit anderen Kindern pflegt, dass es sich charakterlich gut entwickelt, dass musische, künstlerische, sprachliche und sportliche Talente gefördert werden, dass es in der Schule mithalten kann und dass es auf das Leben gut vorbereitet wird. (….) Aus diesem Anspruch an Eltern erwächst geradezu eine Notwendigkeit der Professionalisierung von Elternschaft und sie wird zur zentralen dauerhaften Lebensaufgabe.

Das Leitbild einer guten Eltern-Kind-Beziehung sieht – ähnlich wie das einer Partnerschaft – verlässliche emotionale, praktische und materielle Unterstützung vor. Es sieht vor, dass in der Eltern-Kind-Beziehung – genau wie in der Partnerschaft – das Verhandlungsprinzip anstelle des Befehlsprinzips zu treten hat. (…)

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(aus: ebda. S. 8 und S. 22f)

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siehe dazu auch:

 

Hinzu kommt, daß das Engagement der Eltern im Umfeld ihrer Kinder – ganz unabhängig von ihren persönlichen Erziehungsvorstellungen – institutionell oftmals stillschweigend vorausgesetzt wird (und pädagogisch auch erwünscht ist):

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Beispielsweise bauen viele Kindergärten und Schulen verstärkt auf elterliches Engagement, vielerorts bereits am frühen Nachmittag. Die öffentliche Diskussion, wer „gute” oder wer „schlechte” Eltern sind, wird dabei auch daran festgemacht, wie viel Zeit sich Eltern für ihre Kinder und für schulische Aktivitäten nehmen. Dabei wird außer Acht gelassen, unter welchem ökonomischen Druck viele Familien stehen und dass es auch in materieller Hinsicht hohe Ansprüche gibt, wie ein Kind idealerweise ausgestattet sein sollte oder welche Art von Förderung es neben der Schule braucht. Kosten- und zeitintensive Hobbies, teure Markenkleidung, Unterhaltungselektronik, gesundes (häufig teures) Essen, interessante Urlaube sowie ein Auslandsjahr schon während der Schulzeit sind Dinge, die in breiten Kreisen der Gesellschaft für eine optimale kindliche Entwicklung als erstrebenswert gelten. Beim Engagement in Vereinen gilt es als normal, dass Eltern unter der Woche und auch am Wochenende Fahrdienste leisten, um ihre Kinder z.B. zu Aufführungen, Turnieren und Wettkämpfen zu bringen, um dort ganztägig anwesend zu sein.

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(aus: ebda. S. 28)

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Die (ideologische) Voreingenommenheit der Expertengruppe aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Hinzu kommt die Tatsache, daß wesentliche Empfehlungen durch die vorgelegte Analyse schlicht nicht gedeckt sind. So machen sie Vorschläge zur (durchaus notwendigen) ökonomischen Stärkung der Familien…

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■ Familien ökonomisch stärken. Der Familienleistungsausgleich ist stärker am Vorhandensein von Kindern zu orientieren. Steuerbasierte Dauerleistungen sollten verstärkt in bedarfsorientierte Unterstützungsleistungen umgewandelt werden.

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(aus: ebda. S. 31)

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Damit ist etwa die Einschränkung des Ehegattensplittings bei kinderlosen Paaren gemeint. Abwägungen zu dessen Begründung und verfassungsrechtliche Absicherung ist jedoch in der KAS-Studie nichts zu finden. Im Gegenteil: Sie liefert sogar Gründe, daran festzuhalten:

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Insgesamt sind also die Ansprüche an eine gute Ehe heute voraussetzungsvoller. Damit geht einher, dass die Bedeutung der Ehe innerhalb der Familienleitbilder ein Stück weit verblasst. Nach wie vor ist die Ehe ein Standard, an dem sich Menschen in ihrer Lebensplanung orientieren. (….) Dass das außereheliche Zusammenleben über die vergangenen Jahrzehnte zu- und der Anteil der Ehen an den Lebensformen abgenommen hat, liegt nur zu einem Teil an einer Abkehr vom Ideal der Ehe als verbindlichste und damit verlässlichste Form der Partnerschaft. Zu einem anderen Teil ist die statistische Entwicklung einem Aufschub des mittleren Heiratsalters geschuldet, der unter anderem damit zusammenhängt, dass sich im Leitbild eines „normalen” Beziehungsverlaufs das nichteheliche Zusammenleben als eine Phase vor die Ehe geschoben hat (vgl. nachfolgender Abschnitt). Zum Teil ist sie der oben erwähnten Destabilisierung der Ehe geschuldet, die sich in höheren Scheidungsraten bemerkbar macht. Doch auch das Scheitern einer Ehe bedeutet nicht unbedingt eine Abkehr von der Ehe als Orientierungspunkt, denn oft folgt auf eine Scheidung eine Wiederverheiratung.

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(aus: ebda. S. 20)

siehe dazu auch:

  • Ehen entlasten den Staat. SPD und Grüne möchten das Ehegattensplitting abschaffen. Doch dabei vergessen sie: Steuervorteile für Verheiratete zahlen sich am Ende für alle aus. Von Kostas Petropulos. Tagesspiegel 25.01.2013

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Auch die geforderte Abkehr von “steuerbasierten Dauerleistungen”, wie es gerade das Ehegattensplitting darstellt, wird in der Studie sogar von der Konrad-Adenauer-Stiftung als Auftrageberin argumentativ entkräftet:

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Abweichend zur Ansicht der Autoren dieser Publikation ist daher die auf ein gemeinsames Leben ausgerichtete Institution Ehe zu stärken – gerade auch unter den Vorzeichen des demografischen Wandels. Das Steuersplitting kann neue Plausibilität erfahren, wenn immer mehr Paare im Lebenslauf mit wechselnden Ernährer-Rollen und schwankenden Anteilen das Familieneinkommen sichern. Dann wird es ihnen wichtig sein, dass unabhängig davon, ob der Mann oder die Frau den Hauptanteil des Erwerbseinkommen erwirtschaften oder beide gleich viel verdienen, die gemeinsame Steuerlast bei gleichem Familieneinkommen gleich hoch ausfällt.

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(aus: ebda., Vorwort von Christine Henry-Huthmacher, Herausgeberin, S. 7)

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Vor allem das entschiedene und mehrfach wiederholte Plädoyer der KAS-Experten für eine Stärkung der staatlich organisierten “Bildungs-“/Betreuungseinrichtungen beschränkt sich auf die Behauptung ihrer vermeintlichen Vorteile:

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Externe Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen, bedeutet in diesem Zusammenhang, den natürlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen und die eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten über die des Kindes zu stellen. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass der Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur in Westdeutschland verbreitet als Gefährdung einer optimalen kindlichen Entwicklung gesehen wird. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern, allen voran Dänemark, wo Kinderbetreuung im Sinne von Frühförderung und Familien ergänzender Erziehung wertgeschätzt wird, dominiert im Westen Deutschlands die Auffassung, Kinderbetreuung diene vornehmlich der Aufbewahrung von Kindern und fördere vor allem die Erwerbsbeteiligung der Mütter. (….)

(….)

Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur. Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Altersgruppen sind flächendeckend, nachfrageorientiert und in guter Qualität auszubauen. Dazu gehören unter anderem flexible, den Arbeitszeiten angepasste Öffnungszeiten. Die Betreuung muss außerdem für Eltern aller Einkommensschichten finanzierbar sein. Auch Ganztagsschulen sollten flächendeckend ausgebaut und als Wahlalternative angeboten werden.

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(aus: ebda. S. 17 und S. 31)

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Die bundesdeutsche Wirklichkeit und die wissenschaftlichen Fakten finden dabei bestenfalls am Rande eine Erwähnung:

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Nachdem sich die Untersuchung des Geburtengeschehens lange Zeit auf die Bedeutung ökonomischer Faktoren konzentriert hat (….) sind neuerdings die Bedeutung kultureller Leitbilder sowie die Relevanz der sozialen Infrastruktur in den Vordergrund gerückt, allerdings oftmals reduziert auf die quantitativen Angebote an Kinderbetreuungseinrichtungen für die Zwei- bis Sechsjährigen. (…)

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(aus: ebda. S. 12)

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siehe dazu:

Kindeswohl und Erwerbstätigkeit von Müttern / Meinungen der Öffentlichkeit im internationalen Vergleich 2008 / Deutschland, Schweden, Frankreich... - HBF-Daten

Kurz: Die neue Studie der Konrad Adenauer Stiftung liefert keine plausiblen Ansätze, um die demographische Talfahrt im Lande zu stoppen.

 

Zum Thema siehe auch:

Süddeutsche Zeitung Montag, den 30. Juni 2014, Seite 5

ALLES SO SCHÖN BUNT HIER

Eine STUDIE DER KONRAD-ADENAUER-STIFTUNG zur Familienpolitik bricht mit so ziemlich allem, was konservativen Politikern bisher heilig war. POLITIK SOLLE DEN MENSCHEN KEINE LEITBILDER VORGEBEN, sondern die Vielfalt des Lebens vorbehaltlos akzeptieren, heißt es da

Von Ulrike Heidenreich

 

 

 

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