Neue KINDERGELDDEBATTE:
20 Euro mehr? Oder erst ab dem dritten Kind?…
Verfassungsrechtliche MASSSTÄBE setzen der Politik klare Grenzen
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Die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten Jahre zwingen die Bundesregierung zum Handeln: Die Grenzen für den lebensnotwendigen Mindestbedarf (in unserer Gesellschaft = soziokulturelles Existenzminimum), der nicht besteuert werden darf, müssen wieder erhöht werden. Deshalb plant die schwarz-rote Koalition die Steuerfreibeträge für Erwachsene und Kinder anzuheben. Strittig ist allerdings, ob und in welcher Höhe zugleich auch das „Kindergeld“ heraufgesetzt werden muß.

 

In der (Medien-)Öffentlichkeit wird die politische Lesart einer „Kindergeld“-Anpassung als ledig freiwilliger Leistung auflagenstark verbreitet (HPL). Hinzu kommt der aktuelle Vorschlag eines renommierten Ökonomen, Kindergelderhöhungen auf kinderreiche Familien zu konzentrieren (HPL).
Beide Konzepte verkennen jedoch nicht nur die Konstruktion und Funktion des „Kindergelds“ (HPL); sie mißachten vor allem die glasklaren Maßstäbe der Verfassung (HPL), die schon heute von der Politik eklatant verletzt werden, wie Berechnungen von Fachleuten zeigen (HPL).
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HBF-VOLLTEXT

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Die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten Jahre zwingen die Bundesregierung zum Handeln: Die Grenzen für den lebensnotwendigen Mindestbedarf (in unserer Gesellschaft = soziokulturelles Existenzminimum), der nicht besteuert werden darf, müssen wieder erhöht werden. Deshalb plant die schwarz-rote Koalition die Steuerfreibeträge für Erwachsene und Kinder anzuheben. Strittig ist allerdings, ob und in welcher Höhe zugleich auch das „Kindergeld“ heraufgesetzt werden muß:

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Bericht zum Existenzminimum
GRUND- UND KINDERFREIBETRAG STEIGEN
Sowohl der Grundfreibetrag als auch der Kinderfreibetrag müssen ab dem Veranlagungsjahr 2015 erhöht werden. Das geht aus dem Zehnten Existenzminimumbericht hervor, den das Bundeskabinett beschlossen hat.
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Der Grundfreibetrag stellt sicher, dass das Einkommen für den notwenigen Lebensunterhalt nicht besteuert wird. Er liegt derzeit bei 8.354 Euro. Mit dem Kinderfreibetrag soll die angemessene Versorgung von Kindern gesichert werden. Eltern können wählen, ob sie den Kinderfreibetrag oder das staatliche Kindergeld in Anspruch nehmen. Der Kinderfreibetrag beträgt momentan 7.008 Euro.
Der Zehnte Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern stellt fest, dass diesen Freibeträge erhöht werden müssen:
  • Der Grundfreibetrag für Erwachsene muss um 118 Euro für 2015 und weitere 180 Euro für 2016 erhöht werden.
  • Der Kinderfreibetrag muss um 144 Euro für 2015 und weitere 96 Euro für 2016 angehoben werden.
Erwerbseinkommen zum Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts darf in Deutschland nicht besteuert werden. Zur exakten Überprüfung dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen sogenannten Existenzminimumbericht vor. Gegenstand des Zehnten Existenzminimumberichts sind die maßgebenden Bemessungsbeträge für die Jahre 2015 und 2016.
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Gesetzesänderungen auch rückwirkend möglich
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Die Bundesregierung kann die begünstigenden Gesetzesänderungen rückwirkend in Kraft setzen. Sie wird bis Ende März einen entsprechenden "Fahrplan" vorlegen.
Darin einbezogen ist auch die Frage zur möglichen Anhebung des KINDERGELDes.
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KINDERGELD-ERHÖHUNG BLEIBT UMSTRITTEN
Die von der schwarz-roten Koalition in Aussicht gestellte Entlastung von Familien bleibt umstritten. Union und SPD sind noch uneins, wie stark das Kindergeld steigen soll.
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Berlin – Die von der schwarz-roten Koalition in Aussicht gestellte Entlastung von Familien bleibt umstritten. Union und SPD sind noch uneins, wie stark das Kindergeld steigen soll.

Die Sozialdemokraten sprechen sich für mindestens zehn Euro im Monat aus. Das wäre mehr als rechtlich erforderlich und würde Bund, Länder und Kommunen mit zusätzlich gut zwei Milliarden Euro belasten. Auch deshalb wird in der Union auf die Bremse getreten. Dort wird für eine Erhöhung des Kindergeldes entsprechend des Kinderfreibetrages plädiert – was vier Euro entspräche. Schließlich müssten auch die Länder mitziehen, hieß es. (…)
In der (Medien-)Öffentlichkeit wird die politische Lesart einer „Kindergeld“-Anpassung als ledig freiwilliger Leistung auflagenstark verbreitet (HBF-Premium)..
Hinzu kommt der aktuelle Vorschlag von Hans-Werner Sinn, dem Präsidenten des Ifo-Wirtschaftsforschungsinsituts, eines renommierten Ökonomen, Kindergelderhöhungen auf kinderreiche Familien zu konzentrieren:
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Nur 12 Prozent kinderreiche Familien
Hans-Werner Sinn: Mehr Kindergeld erst bei mehr Kindern
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Der Ökonomen Hans-Werner Sinn will das Kindergeld umstrukturieren. Deutschland kriegt im internationalen Vergleich zu wenige Kinder, Sinn hofft durch neue Reformen auf eine Erhöhung der Geburtenrate. Nach ihm soll es mehr Kindergeld bei mehr Kindern geben.
„Wenn man die Geburten anregen will, ist es besser, das Kindergeld für das dritte Kind statt für das erste zu erhöhen“, sagte  der Präsident des Münchener ifo-Instituts. „Denn Geld für das dritte Kind ist auch ein Anreiz, das erste zu bekommen, aber nicht umgekehrt“, meinte Sinn.
In Deutschland gibt es im internationalen Vergleich mit zwölf Prozent nur wenige kinderreiche Familien mit drei oder mehr minderjährigen Kindern. In den Niederlanden seien dies 17 Prozent, in den USA 22 Prozent und selbst im rapide alternden Japan immerhin noch 15 Prozent.
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Sowohl die Debatte innerhalb der Regierungsparteien als auch der Vorschlag von Hans-Werner Sinn verkennen jedoch die Konstruktion und Funktion des „Kindergelds“: Entgegen der auch bei Experten verbreiteten Auffassung ist das "Kindergeld" keine freiwillige Leistung des Staates gegenüber den Familien. Seit seiner grundlegenden Umgestaltung ab dem Jahr 1996 erfüllt es eine Doppelfunktion: Einerseits ist tatsächlich eine direkte Hilfe zur Entlastung der Eltern bei den Kinderkosten; andererseits ist jedoch zugleich eine Rückzahlung zuviel bezahlter Steuern der Eltern. Sie müssen sich nämlich zwischen der Nutzung des "Kindergelds" oder der steuerlichen Kinderfreibeträge entscheiden. Wer – wie die große Mehrheit der Eltern (ca. 80%) – das "Kindergeld" bezieht , wird damit automatisch wie ein kinderloses Ehepaar besteuert. Die dabei zuviel bezahlte Steuer wird indes über das "Kindergeld" zurückbezahlt. Regierungsamtlich heißt es deshalb korrekt "steuerliches Kindergeld". Steigt demnach der steuerliche Kinderfreibetrag muß ebenfalls das "Kindergeld" erhöht werden, wenn der Netto-Effekt dieser Staatshilfe nicht sinken soll.
Neben dieser Tatsache, wird der "Kindergeld"-Debatte vor allem durch die glasklaren Maßstäbe der Verfassung eine Grenze gesetzt: Der Staat muß nicht nur das Existenzminiumum der Familien steuerlich unangetastet lassen, sondern aus dem Förderauftrag des Grundgesetzes ergibt sich zugleich die Pflicht, dieses Existenzminimum bei allen Familien sicherzustellen, wenn sie es nicht aus eigener Kraft erwirtschaften können. Und hier verweigert sich die Politik schon seit Jahrzehnten.
 
So ergeben die regelmäßigen Berechnungen des Deutschen Familienverbandes, daß viele Familien trotz der staatlichen "Familienförderung" ihren lebensnotwendigen Mindestbedarf seit langem nicht decken können – wie der Blick auf das frei verfügbare Einkommen zeigt:
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aus: Horizontaler Vergleich 2014. Wie familiengerecht ist die Abgaben- und Steuerlast in Deutschland? Deutscher Familienverband 21. Januar 2014
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Selbst wenn die Bundesregierung das monatliche "Kindergeld" auf 20 Euro pro Kind erhöhen sollte, würde sich an diesem krassen Mißstand wenig ändern – die Unterschreitung des Existenzminimums z.B. bei der vierköpfigen Familie mit einem Alleinernährer würde sich von 3.721 Euro um ganze 68 Euro verringern (zu den Berechnungen – siehe: HBF-Premium)
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Schließlich gibt es bei der politischen Debatte um eine "Kindergelderhöhung" noch einen weiteren zentralen verfassungsrechtlichen Maßstab: Den Einkommensabstand zwischen Familien und Kinderlosen. Bereits seit Jahrzehnten ist klar, daß Eltern gegenüber Kinderlosen auf dem gleichen Einkommensniveau (horizontaler Vergleich) wirtschaftlich deutlich im Nachteil sind (siehe dazu z.B. obige Tabelle). Nach dem grundgesetzlichen Förderauftrag für Familien müßte der Gesetzgeber diesen Abstand zumindest verringern. Wenn der Grundfreibetrag für Erwachsene jetzt ohne gleichzeitige "Kindergeld"-Erhöhung angehoben werden sollte, dann wäre dies ein eklatanter Verfassungsbruch, den selbst die langmütigen Richter/innen in Karlsruhe nicht ignorieren könnten.
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