Bundesregierung:

Rentensystem braucht keine Kinder, sondern nur Beitragszahler!

/ Bertelsmann-Studie als Gradmesser polit-medialer Realitätsverweigerung

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HBF-Aktuell, Tübingen, 20. Januar 2014, erstellt 15:00 Uhr, Stand 19:08 Uhr

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Die Bundesregierung hat die Forderung nach einer grundlegenden Neubewertung der Kinderziehungsleistung im Rentenrecht bei gleichzeitiger Rentenkürzung für Kinderlose abgelehnt. Anders als eine gerade veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung nahelegt (vgl. HBF 17.01.14), gäbe es dafür keine Rechtfertigung. Aufgabe des Rentensystems sei es, eine “angemessene Altersversorgung entsprechend der eingezahlten Beiträge zu sichern”, jedoch nicht die Geburtenrate zu stärken (HPL). Auch in der Presse stieß die Forderung – soweit sie darüber berichtete (HPL) – auf weitgehende Ablehnung (HPL).

Für dieses absehbare polit-mediale Negativ-Echo (vgl. z.B. das Votum der Bundeskanzlerin – in: HBF 2012) ist weniger die methodische Schwäche der Bertelsmann-Studie verantwortlich (vgl. HBF 17.01.14 und HPL) als vielmehr die grundsätzlich andere Prioritätensetzung bei der Antwort auf den demographischen Wandel (= Schrumpf-Alterung – HPL). Nebenwirkungsfrei ist diese vermeintliche Therapie jedoch ganz sicher nicht (HPL).

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HBF-Volltext-Version

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Die Bundesregierung hat die Forderung nach einer grundlegenden Neubewertung der Kinderziehungsleistung im Rentenrecht bei gleichzeitiger Rentenkürzung für Kinderlose abgelehnt. Anders als eine gerade veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung nahelegt (vgl. HBF 17.01.14), gäbe es dafür keine Rechtfertigung. Aufgabe des Rentensystems sei es, eine “angemessene Altersversorgung entsprechend der eingezahlten Beiträge zu sichern”, jedoch nicht die Geburtenrate zu stärken:

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Als Reformmodell schlägt die Stiftung eine Mischung aus gesetzlicher Basisrente und verpflichtender Privatvorsorge vor. Dabei sollen Familien besonders entlastet werden. Ein Sprecher des Arbeitsministeriums sagte dazu, das Rentensystem habe zum Ziel, eine “angemessene Altersversorgung” entsprechend der eingezahlten Beiträge zu sichern. Es sei nicht dazu da, die Geburtenrate zu stärken.

(aus: Studie: Familien bei Rente benachteiligt. SÜDWEST PRESSE/Schwäbisches Tagblatt 18.01.2014, Seite 1)

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Ein Teil der Presse verzichtete gleich ganz auf die Berichterstattung über die Forderung der Bertelsmann-Experten (vgl. z.B. SPIEGEL Online, die Frankfurter Rundschau, die tageszeitung “taz”, die Hauptsendung der ARD-Tagesschau vom 17.01.14 oder die ARD-Tagesthemen), während etwa der Streit um die “Mütter-Rente” weiterhin breiten Raum einnimmt (HBF-Premium). Und bei den sporadischen Kommentaren dominierte die Kritik:

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Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) Vom 17.01.2014, 16:39 Uhr

KOMMENTAR

Teure Kinder, wenig Rente: die falschen Fragen

Von Burkhard Ewert

Osnabrück. Die Rentenversicherung benachteiligt Väter und Mütter im Verhältnis zu kinderlosen Beschäftigten, sagt die Bertelsmann-Stiftung – und stellt damit unversehens das gesamte System der Sozialversicherung zur Disposition.

Wieder so eine Studie, die das Elternsein in nervtötender Weise aufs Geld reduziert. (….) Warum geht es hier und generell so unfassbar oft ums Geld, wenn von Kindern die Rede ist? (….) Wieso wird nicht darüber gesprochen, dass Kinder – ob in Filmen oder Studien – viel zu häufig nicht als Glück, sondern Gefahr gelten?

Der zweite Punkt: Das eigentliche Problem ist nicht die Rentenhöhe, sondern es sind die milliardenschweren familienpolitischen Leistungen. (….) Eine Neuregelung der familienpolitischen Leistungen mitsamt Bereinigung der föderalen Wirrungen dabei wäre eine würdige Aufgabe für eine große Koalition.

Weser-Kurier: 17.01. 21:10

Zur Renten-Studie der Bertelsmann-Stiftung schreibt der Bremer WESER-KURIER:

(…) Jedoch sind Zweifel über die von der Bertelsmann-Stiftung ausgerechneten Zahlen angebracht, denn der für 2060 angenommene Beitragssatz von 27,2 Prozent basiert auf Modellsimulationen, die bis zum Jahr 2100 reichen. Völlig unberücksichtigt bleiben dabei politische Reformen.

Die Kernaussage der Studie, wonach ein heute 13-Jähriger im Laufe seines Lebens etwa 77000 Euro mehr in die Rentenversicherung einzahlt als er herausbekommt, ist somit hoch spekulativ.

Unter dem Strich ist festzustellen: Ja, wer Kinder hat, zahlt drauf. Aber Kinder sind nun einmal alles andere als ein Rendite-Objekt wenn man es denn schon absurderweise rein finanziell betrachtet. Andererseits fördert der Staat Familien mit milliardenschweren Programmen. (….) Fazit: Deutschland liegt in der Familienförderung im internationalen Vergleich weit vorne. Dennoch ist es immer noch Schlusslicht, was die Geburtenrate betrifft. Auch das zeigt, wie wenig Kinder und Geld miteinander zu tun haben.

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Zustimmung gab es dagegen kaum zu lesen (HBF-Premium)…

Für dieses absehbare polit-mediale Negativ-Echo (vgl. z.B. das Votum der Bundeskanzlerin – in: HBF 15.02.12) ist weniger die methodische Schwäche der Bertelsmann-Studie mit ihrer Betonung der persönlichen Renditeperspektive eines Kindes verantwortlich (vgl. HBF 17.01.14)….:

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Auch das Arbeitsministerium trete dafür ein, im Rentensystem „Fehlanreize“ etwa zu Lasten von Familien zu vermeiden, erläuterte der Sprecher. In diese Richtung weise das aktuelle Vorhaben, die Erziehungsleistungen von Müttern vor 1992 geborener Kinder rentenrechtlich stärker zu berücksichtigen. Schon aus dem Prinzip der Risikoversicherung folge jedoch, dass ein Vergleich der Ein- und Auszahlungen für jeden einzelnen Versicherten nicht der zentrale Bewertungsmaßstab sein könne, sagte er zur Begründung.

(aus: Rentenversicherung:  KOALITION GEGEN HÖHEREN BEITRAG FÜR KINDERLOSE. F.A.Z. 18.01.14)

und HBF-Premium

Gemeinsam mit der Bundesregierung setzen viele Medien grundsätzlich andere Prioritäten bei der Antwort auf den demographischen Wandel  (= Schrumpf-Alterung): Statt der Korrektur einer systematisch-leistungsfeindlichen Familien- und Sozialpolitik hoffen sie auf die Entlastungswirkung einer verstärkten Einwanderung:

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Tagesschau.de  Stand: 15.01.2014 11:47 Uhr

1,08 Millionen Menschen wandern ein

Deutschland attraktiv für Zuwanderer

Die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland ist 2012 auf den höchsten Stand seit 1995 gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Wert um 13 Prozent auf 1,08 Millionen Menschen. Zieht man die Fortzüge ab, bleibt ein sogenannter Wanderungsgewinn von rund 370.000 Personen. Das geht aus dem Migrationsbericht 2012 hervor, den das Kabinett beschlossen hat.

Zahl der Zuwanderer in Deutschland steigt auf Rekordniveau

“Weichen für Zuzug von Fachkräften gestellt”

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: “Wir alle wissen, dass Deutschland auch auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen ist.” Die Zahlen belegten, dass Deutschland für die Zuwanderung attraktiv sei und die Weichen für den Zuzug von Fachkräften richtig gestellt seien. (…)

 Der Migrationsbericht wird seit 2000 jährlich vorgelegt. (HBF-Anmerkung: Der Familienbericht der Bundesregierung wird dagegen alle 4 Jahre erstellt). Er soll einen umfassenden Überblick über die jährliche Entwicklung der Zu- und Abwanderung geben. 2006 sank die Zuwanderung mit etwa 662.000 Zuzügen auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, seitdem steigen die Zuzugszahlen wieder an.

SPIEGEL Online 19.01.2014

Datenlese: 175 Jahre im Zeitraffer

|  Von Christina Elmer, Bertolt Hunger, Kurt Jansson, Chris Kurt und Maximilian Schäfer

Eine Deutschlandkarte mit Beulen, denen man beim Wachsen und Schrumpfen zusehen kann – unsere Animation zeigt, wie sich die Verteilung der Einwohner langfristig entwickelt hat. Dabei wird deutlich: Schuld an der Entvölkerung des Ostens ist nicht allein die DDR.

(..) Doch nicht nur im Osten offenbart die Langzeitanalyse erstaunliche Entwicklungen: Der Süden, seit Jahrzehnten als Boomregion bekannt, verliert bis etwa 1910 an Gewicht, und zwar in ähnlich massiver Weise wie später der Osten. Max-Planck-Forscher Sebastian Klüsener sieht dafür einen entscheidenden Faktor: die Lage fernab der Montanregionen und Häfen weiter nördlich, die schon damals von der Globalisierung profitierten. (…)

Wird sich der Osten also immer weiter entvölkern? Nicht zwangsläufig, sagt Demografie-Wissenschaftler Klüsener. Der Aufstieg des Südens nach dem Zweiten Weltkrieg zeige, dass selbst langfristige Entwicklungen  durchaus umkehrbar seien. Ostdeutschland könne von dem Potential Zentraleuropas profitieren, wenn die europäische Integration weitergehe.

Demnach könnte der Schwerpunkt seine Wanderungsrichtung also erneut ändern, statt wie vorhergesagt weiter nach Südwesten zu driften. Es lohnt sich also, die Bevölkerung Deutschlands weiter im Auge zu behalten.

Taz 02.01.14

Kommentar von

Daniel Bax

Kommentar CSU-Kampagne

Feindbild Roma

Einwanderer sind keine potenzielle Gefahr, sondern ein Gewinn für den deutschen Wohlstand. Die CSU-Kampagne vergiftet das Klima.

Ein Willkommensgruß sieht anders aus. Auf die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes in der EU für Bürger aus Bulgarien und Rumänien, die seit dem Jahreswechsel gilt, antwortet die CSU ausgerechnet mit einer Kampagne gegen angebliche Sozialbetrüger aus anderen EU-Ländern.

Damit stellt sie nicht nur alle Einwanderer aus diesen Ländern unter Generalverdacht. Sie schadet damit auch dem Ansehen Deutschlands, das auf Zuwanderung angewiesen ist. Viele deutsche Krankenhäuser und Altersheime etwa wären ohne Ärzte und Pfleger aus Osteuropa und dem Rest der Welt schon jetzt längst zusammengebrochen. (…)

Für Angela Merkel wäre es an der Zeit, ein paar deutliche Worte zu sprechen. Sie hat es sich ja mal auf die Fahnen geschrieben, für eine „Willkommenskultur“ zu sorgen, die Einwanderer nicht mehr als potenzielle Gefahr, sondern als Gewinn für den deutschen Wohlstand begreift. Die CSU-Kampagne aber vergiftet das Klima.

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Nebenwirkungsfrei ist diese vermeintliche demographische Therapie jedoch nicht:

SPIEGEL Online 10. Januar 2014, 13:00 Uhr

Streit über Zuwanderung

OST-EUROPA DROHT EXODUS DER ÄRZTE

Die CSU macht Stimmung gegen Zuwanderer und offene Grenzen. Sie verschweigt dabei: Aus Bulgarien und Rumänien kommen Facharbeiter und hochqualifizierte Akademiker, darunter viele Ärzte. Sie fliehen aus einem maroden Gesundheitssystem, das nun vollends auszubluten droht.

Aus Berlin und Sofia berichtet Oliver Trenkamp

Tagesschau.de  Stand: 30.12.2013 17:03 Uhr

RUMÄNIEN LEIDET UNTER EMIGRATION VON FACHKRÄFTEN

Vor allem Fachkräfte zieht es ins Ausland

“Rumänen wollen arbeiten”

Flucht in bessere Sozialsysteme? Rumänen würden über diesen Vorwurf den Kopf schütteln. Vor allem Fachkräfte haben das Land in den vergangenen Jahren verlassen und arbeiten nun in Italien, Spanien oder Deutschland. In der Heimat fehlen sie.

Von Stephan Ozsváth, ARD-Hörfunkstudio Wien

und HBF-Premium

 

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