Gestreßte Eltern:

Eine wirkungsvolle Glücks- und Geburtenbremse

/ Neue Studie nährt Zweifel an der „modernisierten“ Familienpolitik

 

HBF-AKTUELL, Tübingen, 07. Februar 2014

Die Schrumpf-Alterung der Bevölkerung erfordert nach Ansicht von Politik, Wirtschaft und Experten die Mobilisierung des brachliegenden “Humankapitals” in unserer Gesellschaft – vor allem das der Mütter (vgl. z.B. HBF 2012). Neben einer höheren Erwerbsquote soll auch der Umfang ihrer wöchentlichen Arbeitszeit deutlich ausgeweitet werden. Selbst bei der Teilzeit-Idee für junge Paare von Bundesfamilienministerin Manuela soll unterm Strich das gemeinsame Arbeitsvolumen der Eltern steigen (vgl. HBF 2014). Die damit verbundene Reduktion der Familienzeit dürfte unter den heutigen Bedingungen der Arbeitswelt den Zeitdruck für Väter, Mütter und Kinder noch weiter erhöhen (vgl. HBF-Statistik). Das beeinträchtigt nicht nur das gemeinsame Wohlbefinden, wie eine aktuelle Studie nahelegt (HPL). Dieser Faktor könnte zudem auch die Bereitschaft zur Umsetzung von Kinderwünschen noch weiter dämpfen (HPL).

 

HBF-Volltext-Version

 

Die Schrumpf-Alterung der Bevölkerung erfordert nach Ansicht von Politik, Wirtschaft und Experten die Mobilisierung des brachliegenden “Humankapitals” in unserer Gesellschaft – vor allem das der Mütter (vgl. dazu z.B. HBF 30.04.12). Neben einer höheren Erwerbsquote soll auch der Umfang ihrer wöchentlichen Arbeitszeit deutlich ausgeweitet werden. Selbst bei der Teilzeit-Idee für junge Paare von Bundesfamilienministerin Manuela soll unterm Strich das gemeinsame Arbeitsvolumen der Eltern steigen (vgl. HBF 27.01.14). Die damit verbundene Reduktion der Familienzeit dürfte unter den heutigen Bedingungen der verdichteten Arbeitswelt den Zeitdruck für Väter, Mütter und Kinder noch weiter erhöhen (vgl. HBF-Statistik). Das beeinträchtigt nicht nur das gemeinsame Wohlbefinden, wie eine aktuelle Studie nahelegt. Dieser Faktor könnte zudem auch die Bereitschaft zur Umsetzung von Kinderwünschen noch weiter dämpfen:

sueddeutsche.de  6. Februar 2014 09:37

Lebenszufriedenheit von Eltern

 Die Wiege des Glücks

 Machen Kinder glücklich? Die meisten Deutschen erleben es als Erfüllung, Eltern zu werden. Erleichterungen, die der Staat ihnen zukommen lässt, steigern die Zufriedenheit zusätzlich. Warum werden dann so wenige Babys geboren?

 Von Berit Uhlmann

(…) Nun ist die Elternschaft ein so individuelles Thema, dass jeder Versuch, die Empfindungen auf einen Nenner zu bringen, irgendwo hakt. So gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Mikko Myrskylä von der London School of Economics und Rachel Margolis von der University of Western Ontario haben nun Daten von mehr als 4500 Deutschen ausgewertet, die im Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren Eltern wurden. Und zumindest diese scheint der Nachwuchs glücklich zu machen, besagt die demnächst im Fachjournal Demography erscheinende Studie.

Ältere Eltern sind glücklicher

Auf einer Skala von null bis zehn stieg die Lebenszufriedenheit junger Eltern um einen halben Punkt. Ähnlich stark wirken sich – mit umgekehrten Vorzeichen – auch Scheidung oder plötzliche Arbeitslosigkeit aus. Und doch ist dies nur die halbe Wahrheit, denn so richtig geht das Herz nur beim ersten Kind auf. Nach der zweiten Geburt schwingt sich das Glück nicht mehr in große Höhen. Und beim dritten Kind können Eltern froh sein, wenn es mit ihrer Stimmung nicht bergab geht.

(….)

Bei den meisten Familien sinkt das verfügbare Einkommen, wenn Kinder versorgt werden müssen. Doch einen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Paare konnte Myrskylä nicht feststellen. “Wir haben keine Erklärung dafür”, kommentiert er. Ein Faktor könne sein, dass Eltern sich von vornherein auf die veränderten Einkommensverhältnisse eingestellt haben.

Mehr Geld, mehr Zufriedenheit

Dagegen scheint ein Plus in der Kasse die Stimmung zu heben. Wer nach der Einführung des Elterngeldes 2007 ein Kind bekam, war im Schnitt etwas zufriedener als diejenigen, die schon vorher Eltern wurden, hat Myrskylä festgestellt. (…)

Führt also all das in Deutschland ausgegebene Geld nur dazu, dass Mütter schickere Kinderwagen vor sich herschieben und sich dabei ein bisschen behaglicher fühlen? Myrskylä will den Effekt der Lebenszufriedenheit nicht unterschätzt wissen. Wenn Kinderlose zufriedenen Eltern begegnen, die von Unterstützungsmaßnahmen profitieren, entscheiden sie sich möglicherweise eher zur Familiengründung. Und schließlich gibt es zumindest eine Gruppe, denen die Zufriedenheit junger Eltern zugutekommen dürfte: den Kindern dieser Mütter und Väter.

 

siehe dazu auch:

DIE ZEIT, 30.01.14 Nr. 6, POLITIK

Geht alles gar nicht

Dass sich Kinder und Karriere vereinbaren lassen, ist eine Lüge. Zeit für mehr Ehrlichkeit

Von Marc Brost und Heinrich Wefing

(….) Das Bedrückende daran ist nicht nur der gewaltige Stress, den all das verursacht. Viel bedrückender ist, dass man vor lauter Erschöpfung die Sprache verliert: dass man nicht einmal mit der Partnerin oder dem Partner über all das reden kann, (…)

Dann erzählt das befreundete Paar, beide Vollzeit, drei Kinder aus zwei Beziehungen, wie ihnen der Sohn ins Gesicht schrie: »So wie ihr will ich nicht leben!« (….)

Der Berliner Soziologe Hans Bertram nennt uns »die überforderte Generation«. Nicht nur, weil wir immer so müde sind und blass. Es gibt auch handfeste soziologische Gründe dafür, dass wir derart unter Strom stehen. Zum einen, weil es noch nie in einer Generation so viele Singles und kinderlose Paare gab. Deren ökonomische Situation ist im Durchschnitt deutlich besser als die von Familien mit Kindern, von Alleinerziehenden ganz zu schweigen. So viel Konkurrenz produziert: Stress.

Zum anderen, weil immer mehr Frauen ihr erstes Kind um die dreißig oder später bekommen und deswegen die zehn, fünfzehn intensivsten (aufregendsten, schönsten) Jahre der Erziehung und der Fürsorge für die Kinder gerade bei hoch qualifizierten Frauen und Männern exakt mit den Jahren der ersten Karrieresprünge zusammenfallen. Bertram nennt das die »Rushhour der Biografien«. (…)

Weil Selbstausbeutung auch keine Lösung ist, wird eine Konsequenz längst gezogen, jeden Tag, jedes Jahr, in aller Stille, überall in Deutschland (und der westlichen Welt): Frauen, gerade hoch qualifizierte, entscheiden sich gegen Kinder.(….)

(aus: ebda)

 

Zum Thema siehe auch:

Schreibe einen Kommentar