Ein Rollstuhl steht in einer Grünanlage. (picture alliance / dpa / Karl-Heinz Spremberg)
Pflege ist Frauensache? Nicht ganz. Inzwischen pflegen 1,5 Millionen Männer die eigene Frau oder Mutter. Ingo Dahmer lebt gemeinsam mit Frau und Kindern in Dortmund. Mit gerade mal 38 Jahren erlitt seine Frau einen schweren Schlaganfall. (…)
Nur noch minimales Bewusstsein
Seitdem liegt die heute 44-jährige im Wachkoma. Durch den Schlaganfall wurde ihr Gehirn so stark beschädigt, dass man nur noch von einem minimalen Bewusstsein sprechen kann. (…) Nach mehreren Schädeloperationen kommt Christine in eine Rehaklinik im Sauerland. Und Ingo muss entscheiden, wie es danach weitergeht.
“Und dann stand für mich die Frage im Raum was nach der Reha? Ich hatte mir da schon vorher Gedanken gemacht und für mich war eigentlich sowieso klar, dass sie nach Hause kommt, ich wusste damals einfach noch nicht, wie das alles von statten gehen soll und wie wir das hinkriegen.” (….)
Janine legt ihr Brötchen zur Seite und erinnert sich, wie aus ihrer strahlenden, alles stemmenden Mutter plötzlich ein Pflegefall und damit alles zu Hause auf den Kopf gestellt wurde.
“Seit ich denken kann ist Papa morgens zur Arbeit gefahren und abends wiedergekommen, am Wochenende war er halt da und Mama hat immer alles gemacht was Kinder und Haushalt angeht, das war so die typische Rollenverteilung, das hat auch super geklappt und dann ja, dann musste Papa von heute auf morgen, zu dem Zeitpunkt noch drei Kinder, da war mein Bruder auch noch zu Hause, ja Mama im Krankenhaus, den Haushalt, er musste ja auf einmal alles machen und ich habe am Anfang ihm oft gesagt, dass ich mir das nicht vorstellen kann, dass er das schafft.”
Nimmt für die Pflege die Arbeitslosigkeit in Kauf
Ingos eigene Tochter ist skeptisch, dass er es schafft. Trotzdem sagt er sich: Ich mach das jetzt einfach. Und nimmt für die Pflege seiner Frau die Arbeitslosigkeit in Kauf. Von dieser Entscheidung wird ihm selbst noch auf dem Amt abgeraten.
“Für mich war der Schritt allgemein sehr schwer, Hartz IV zu beantragen, weil ich jemand war, der immer gearbeitet hat auch jemand war, der auf die anderen, die faul zu Hause sitzen und Hartz IV beziehen, geschimpft hat. Dass ich jetzt selbst in so einer Situation war, war eine schwierige Angelegenheit, dazu kommt dann das auf der ARGE das die Leute da nicht so sind wie man sie gerne hätte, also der erste Sachbearbeiter, dem ich begegnet bin hat mir gesagt, ich könnte doch meine Frau ins Pflegeheim geben, dann könnte ich wieder arbeiten gehen.”
Es ist viel, was da auf den jungen Familienvater einstürzt. Den Entschluss hat er zwar schnell gefasst, doch wie soll das in der Praxis alles funktionieren? Wie soll er die Pflege finanzieren? Wie sich anständig um die Kinder kümmern, um seine Frau, und dann noch um sich selbst? (…)