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°Presseschau zu PegidaWie Fremdenfeindlichkeit salonfähig wirdVon Harry Nutt
Das Bündnis der «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» («Pegida») hielt in Dresden seine achte Montagskundgebung in Folge ab.Foto: Arno Burgi/dpa°Wer ist Pegida, und wer ist das Volk? Auf den Straßen von Dresden und anderswo formiert sich eine neue, anti-liberale Bewegung. Es werden immer mehr, und die Atmosphäre wird hitziger. Zehntausende gingen am Montag in Dresden und anderswo wieder auf die Straße, um unter dem Namen Pegida Deutschland vor der Islamisierung des Abendlandes zu bewahren. Treffen sich hier besorgte Bürger oder formiert sich gerade eine anti-liberale Bewegung?°°Anti-Islam-AufmärscheJUSTIZMINISTER FORDERT ALL-PARTEIEN-BÜNDNIS GEGEN PEGIDAAlle gegen Pegida: Justizminister Maas fordert sämtliche Parteien zur offenen Auseinandersetzung mit dem rechtspopulistischen Bündnis auf. Die Aufmärsche zeichneten ein Zerrbild der tatsächlichen Stimmung gegenüber Flüchtlingen.°und HBF-Premium°
°BUNDESAMT RECHNET MIT 230 000 ASYLANTRÄGENFlüchtlingsstrom nach Deutschland wird nicht abreißenDie Situation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge ist weiter desolat, Deutschland als Ziel weiterhin attraktiv: Das Bundesamt für Migration rechnet auch im kommenden Jahr mit mehr als 200.000 Asylanträgen.°°Rechtspopulistische BewegungProteste gegen Asyl und Islam nehmen zuDemos gegen Flüchtlingsheime, Proteste gegen eine angebliche Islamisierung des Landes, Randale von Hooligans und Rechten. Was braut sich da zusammen? Experten warnen vor gefährlichen Entwicklungen.°(…) Ein harmloser Bürgerprotest also? Nein, meint der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke. Die Pegida werfe ‘Kampfvokabeln’ in die Menge, nutze Ängste in der Bevölkerung und lade sie zu Ressentiments auf. Die Gruppe versuche, einen ‘Kampf der Kulturen’ zu schüren. ‘Das ist das klassische Repertoire von Rechtspopulisten’, sagt er. Das Ganze zeige Ansätze einer rechtsextrem inspirierten Massenbewegung. ‘Das macht mir Sorgen.’ (…)Eine aktuelle Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass rechte Einstellungen in der Bevölkerung zwar weniger werden, aber Ressentiments gegen einzelne Gruppen – wie Obdachlose, Langzeitarbeitslose oder Asylbewerber – weit verbreitet sind. Rechte Haltungen machten sich zunehmend in subtileren Formen bemerkbar, mahnen die Autoren. Und ihnen fielen die AfD-Anhänger auf: In ihrer Gruppe seien solche Positionen besonders oft zu finden.Wo kommt die aktuelle Entwicklung her? Funke klagt, die politischen Verantwortlichen hätten es versäumt, früh genug und vernünftig auf den Anstieg der Asylbewerberzahlen in Deutschland zu reagieren und auf Ängste in der Bevölkerung einzugehen. Hinzu kommt die Bedrohung durch radikale Islamisten. Verschiedene Gruppen machen sich diese Gefühlslage nach Ansicht der Experten nun zunutze. Aus Sicherheitskreisen ist die Sorge zu hören, dass Rechtsextreme Kundgebungen gegen Asylsuchende oder Islamisten systematisch unterwandern könnten. In Ansätzen passiert das bereits. (…)°und HBF-Premium
Experten vor Ort warnen indes vor einfachen Erklärungsmustern:
°Maybrit IllnerPegida: “Aufstand für das Abendland”Wut auf die Politik oder Fremdenhass?
(….)Der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, FRANK RICHTER, sagte in der ZDF-Sendung “Maybrit Illner”, es sei unzulässig, das Gros der Demonstranten mit Rechtsextremisten gleichzusetzen – wenngleich solche darunter seien. Er warb für einen inhaltlichen Dialog mit besorgten Bürgern. (…)°und HBF-Premium
Auch der Bundesinnenminister hat inzwischen erkannt, daß die große Resonanz aus der Mitte der Gesellschaft auf tiefreichende Verwerfungen hinweist, die nicht allein in Ostdeutschland zu beobachten sind:
°Anti-Islam-BewegungInnenminister warnen vor islamfeindlicher HetzeBundesinnenminister de MAIZIÈRE sagt: Es droht in Deutschland keine Islamisierung. Dennoch fordert er, die Anliegen der “Pegida”-Anhänger ernst zu nehmen. Ein Teil der Bürger fühle sich fremd im eigenen Land.°Die Innenminister von Bund und Ländern haben vor einer zunehmenden islam- und ausländerfeindlichen Hetze gewarnt. „Wir spüren schon, dass das gesellschaftliche Klima in Deutschland rauer wird“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag zum Abschluss der Herbsttagung der Innenminister in Köln. Viele Menschen seien in Sorge und die Anti-Islam-Bewegung „Pegida“ missbrauche das. Fakt sei: „Es droht keine Islamisierung der ganzen deutschen Gesellschaft.“(…) Angesichts des Zulaufs zu Demonstrationen der “Pegida” hatte de Maizière sich am Donnerstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ differenziert geäußert. Zwar gebe es bei den Initiatoren „problematische Entwicklungen“, und anders als sie sich selbst bezeichneten, seien sie auch keine patriotischen Europäer.
„Aber unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit.“ De Maizière wies auf eine Studie hin, die belege, dass sich ein Teil der Bürger wie Fremde im eigenen Land fühlten. „Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ Dabei hülfen Aufklärung, Gespräche und das Lösen der Probleme. (…)
F.A.Z., Freitag den 12.12.2014 Wirtschaft 24BRITANNIENS KARGER AUFSCHWUNGWarum die breite Bevölkerung vom Wirtschaftswachstum kaum etwas spürt°(…) Aber in Großbritannien hat sich eine Schere geöffnet: das Wirtschaftswachstum hat sich in den vergangenen drei Jahren annähernd verdreifacht, doch die Reallöhne bröckelten trotz moderater Inflation weiter. „Die Zahlen zur Lohnentwicklung sind schockierend“, sagt der Wirtschaftsprofessor Alan Manning von der London School of Economics.(…) Nach Berechnungen von Arbeitsmarktforschern der Vereinten Nationen sind in keinem der zwanzig führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in den vergangenen Jahren die Löhne inflationsbereinigt so stark gesunken wie in Großbritannien. Auch die vielen neuen Jobs, die seit dem vergangenen Jahr geschaffen wurden, haben daran bisher wenig geändert. Denn viele von ihnen sind im Niedriglohnsektor. (….)°siehe dazu auch:
- Hunger in der Schokoladenkiste: Fast wie bei Charles Dickens: Die Einkünfte reichen nicht einmal mehr für das Essen. Familien stehen Schlange vor den „Food Banks“ – sogar mitten in Oxford. F.A.Z., Donnerstag den 11.12.2014 Politik 3
Und auch in Deutschland, das sich erst noch für den aus demographischen Gründen erwünschten weiteren Zuzug von Einwanderern und Flüchtlingen rüsten will, ist der Druck auf den Arbeitsmarkt längst zu spüren.
°SchlachthofFLEISCHINDUSTRIE BEUTET OSTEUROPÄISCHE ARBEITER SYSTEMATISCH AUSNach Recherchen der ZEIT werden 80 Prozent der Schlacht- und Zerlegearbeiten von Werkvertragsarbeitern erledigt. Ein Gewerkschafter spricht von moderner Sklaverei.°In der deutschen Fleischindustrie werden osteuropäische Arbeiter mit Werkverträgen in großem Stil ausgebeutet. Dies sei nicht auf Einzelfälle beschränkt, berichtet die DIE ZEIT. Schätzungen gingen von mindestens 40.000 Werkvertragsarbeitnehmern in der deutschen Fleischindustrie aus, die unter anderem bereits 80 Prozent der Schlacht- und Zerlegearbeit erledigten.In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gliederten Schlachthöfe und Wurstfabriken ganze Produktionsschritte an die Subunternehmer aus. “Dadurch ist ein Milliardenmarkt mit mafiösen Strukturen, Lohndumping und moderner Sklaverei entstanden”, sagte der Oldenburger Sekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Matthias Brümmer (…)°und HBF-Premium°EinwanderungWAS HABEN DIE DEUTSCHEN NUR GEGEN FLÜCHTLINGE?Deutschland zieht Flüchtlinge und Einwanderer an. Die Wirtschaft ist über potenzielle Fachkräfte entzückt, die Bundesregierung reformiert das starre Asylrecht. Doch im Volk wächst die Fremdenangst.Von Claus Christian Malzahn, Freia Peters , Flora Wisdorff und Vanessa Schlesier°(…)weitere Textauszüge bei HBF-Premium
°DIE GROSSE UNZUFRIEDENHEITVon Klaus-Dieter Frankenberger°(…) Die großen Veränderungen unserer Zeit – Globalisierung, Europäisierung, sozialer Wandel, Einwanderung – schaffen ständig Nachschub für Verdruss und für das Gefühl vieler Leute heran, den Boden unter den Füßen zu verlieren und heimatlos zu werden.Das hat viel weniger als behauptet mit der Sparpolitik zu tun. Dagegen ist EINWANDERUNG vielleicht das Thema, das besonders verunsichert und einen emotional aufgeladenen Widerspruch provoziert. Es trägt dazu bei, das Vertrauen in den Staat auszuhöhlen, weil er offenkundig nicht mehr ganz Herr seiner Grenzen ist. (…)Das wird aber das Grunddilemma nicht zum Verschwinden bringen. Und das hat eben damit zu tun, dass der wirtschaftliche Anpassungsdruck und die soziale Veränderungsgeschwindigkeit unverändert hoch bleiben werden. Wenn gesagt wird, dass wir uns in dieser hyperkompetitiven Welt immer mehr anstrengen müssten, um das Versorgungsniveau und den Lebensstandard von heute nur zu halten, dann ist das zweifellos richtig. Das zu tun bleibt unerlässlich.Aber vermutlich wird es viele Leute geben, die diese Geschwindigkeit nicht mitmachen können oder nicht wollen. Mit anderen Worten: Die soziale Kluft in Europa wird größer, der Ton der politischen Auseinandersetzung wird rauher, aggressiver, verächtlicher. Hier sind die wahren Triebkräfte zu suchen, die Populismus und Neonationalismus wieder gedeihen lassen.Und doch sind diejenigen, die von der allgemeinen Verunsicherung profitieren, Illusionsverkäufer mit einem Hang zum Führerkult. Sie können den Wunsch vieler Leute, behütet und beschützt zu werden, nicht erfüllen, sie können allenfalls rhetorisch Trost spenden. Denn die europäischen Staaten werden nicht das weltoffene Modell, das ihnen Wohlstand einbrachte, aufgeben zugunsten von Protektionismus und einem neuen Isolationismus.°siehe dazu auch: HBF-Premium