(SPD-)Bundesfamilienministerin fordert
(vollzeitnahe) Teilzeitarbeit für alle Eltern:
Ideologie vom Reißbrett
– familienfeindlich und lebensfremd
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HBF-Aktuell, Tübingen, 10. Januar 2014, erstellt 17:52 Uhr, Stand 20:30 Uhr
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Eltern mit Kindern unter drei Jahren sollten nach Ansicht der neuen Bundesfamilienministerin Manuela (SPD) idealerweise jeweils 32 Stunden pro Woche arbeiten (HPL). Dieses Modell fördere am besten die gleichstellungs-, bildungs- und demographiepolitischen Ziele einer “modernen” Familienpolitik (HPL). Derzeit wählen nur ganze 1 % der Eltern diese Aufteilung von Beruf und Familie (HPL). Daher sieht es die Ministerin als ihre Aufgabe an, hier die entsprechenden “Rahmenbedingungen und Angebote” zu schaffen, über deren Annahme die Bürger dann selbst entscheiden könnten (HPL).
Dieses Vorhaben geht allerdings an den Wünschen der übergroßen Mehrheit der Eltern und ihrer Kinder vollständig vorbei, wie die einschlägigen Untersuchungen zeigen (HPL). Zudem zeugt der Plan von einer beachtlichen Ferne zur Lebenswirklichkeit der Familien (HPL) und den Realitäten des Arbeitsmarktes (HPL).
HBF-Volltext-Version
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Eltern mit Kindern unter drei Jahren sollten nach Ansicht der neuen Bundesfamilienministerin Manuela (SPD) idealerweise jeweils 32 Stunden pro Woche arbeiten:
Handelsblatt 10.01.2014
MANUELA SCHWESIG
“Vollzeit muss für Eltern neu definiert werden”
Die Familienministerin wünscht sich eine neue Arbeitskultur in den Unternehmen.
Manuela war von Oktober 2008 bis Dezember 2013 Landesministerin in Mecklenburg-Vorpommern und übernahm dann die Leitung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Wenn die stellvertretende SPD-Vorsitzende über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf redet, weiß sie, wovon sie spricht: ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.
Handelsblatt: Ist Ihr Parteichef Sigmar Gabriel der Prototyp des “neuen Vaters”? (…)
Was nutzt ein Nachmittag pro Woche, wenn der Rest der Betreuung doch an der Mutter hängen bleibt?
: Deshalb wird ein Schwerpunkt meiner Familienpolitik sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile nach vorne zu bringen. Ich weiß, dass viele Väter bereit sind, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren, für diesen Wunsch aber oft belächelt werden. Meine Politik setzt auf die Partnerschaftlichkeit von Müttern und Vätern.
(…)
Handelsblatt: Was halten Sie von doppelter Teilzeit – wenn also Mutter und Vater beide ihre Wochenarbeitszeit auf beispielsweise 30 Stunden reduzieren?
: Das DIW hat in seiner Studie herausgestellt, dass ein Modell der FAMILIENARBEITSZEIT, in der beispielsweise Väter und Mütter beide ihre Arbeitszeit auf 32 Stunden reduzieren, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Und das ist auch meine Vision: Vollzeit muss für Eltern neu definiert werden: Vollzeit sollte für Eltern gerade mit kleinen Kindern nicht 40, sondern zum Beispiel 32 Stunden sein.
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Dieses Modell fördere am besten die gleichstellungs-, bildungs- und demographiepolitischen Ziele einer “modernen” Familienpolitik, wie die von zitierten Experten/innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin) in einem Auftragsgutachten unterstellen:
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Das bei deutschen Familien mit Kindern im Vorschulalter vorherrschende 1,5-Verdiener Modell ist durch die genannten staatlichen Leistungen finanziell attraktiv. Diese Arbeits- und Rollenverteilung wirkt sich oft negativ auf die Karriereaussichten von Frauen aus, was sich beispielsweise in deutlichen Einkommensdiskrepanzen im Lebensverlauf niederschlägt. Dementsprechend besitzen Frauen geringere Rentenansprüche und sind verstärkt von Altersarmut bedroht. Der Rückzug von Frauen vom Arbeitsmarkt während und nach Erziehungsphasen ist auch im Kontext der demografischen Entwicklung und eines drohenden Fachkräftemangels problematisch.
(aus: Familienarbeitszeiten – Wirkungen und Kosten einer Lohnersatzleistung bei Familienteilzeit. DIW-Expertise im Auftrag der Friedrich‐Ebert Stiftung und der Hans‐Böckler Stiftung. September 2013. S.1 – Hinweis: Die Studie können Sie HIER als pdf-Datei herunterladen)
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Derzeit wählen nach den DIW-Daten nur ganze 1 % der Eltern diese Aufteilung von Beruf und Familie:
Daher sieht es die Ministerin als ihre Aufgabe an, hier die entsprechenden “Rahmenbedingungen und Angebote” zu schaffen, über deren Annahme die Bürger dann selbst entscheiden könnten:
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Handelsblatt: Heute beantragt zwar fast jeder dritte Vater Elterngeld, im Schnitt aber nur für rund drei Monate. So entsteht der Eindruck, dass es vielen allein um das Geld geht, das nicht fließt, wenn ein Vater im Job weniger als zwei Monate pausiert.
: Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen und Angebote schaffen: Wie die angenommen werden, entscheiden die Bürger selbst. Ich will, dass niemand wegen seiner Kinder auf den Job verzichten muss – weder die Mutter noch der Vater. Deshalb will ich als Familienministerin die Partnerschaftlichkeit unterstützen.
(aus: MANUELA SCHWESIG: “Vollzeit muss für Eltern neu definiert werden”. Handelsblatt vom 10.01.2014)
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Dieses Vorhaben geht allerdings an den Wünschen der übergroßen Mehrheit der Eltern und ihrer Kinder vollständig vorbei, wie die einschlägigen Untersuchungen zeigen. Gerade bei den Eltern mit Kindern im Kita- oder Grundschulalter dominiert der Wunsch nach mehr Familienzeit. So
- ist durch die Einführung des Elterngelds als Lohnersatzleistung im Jahr 2007 die Erwerbsquote von Müttern im ersten Lebensjahr umgehend von 17% (2007) auf 12% (2008) gefallen (vgl. HBF-Statistik)
- praktizieren Paaren mit Kindern das Modell der doppelten Vollzeiterwerbstätigkeit deutlich weniger als noch in den 90 Jahren (1996: 45%, 2011: 25%), während das Vollzeit-Teilzeit-Modell im gleichen Zeitraum enorm zugenommen hat (1996: 53%, 2011: 70% – vgl. HBF-Statistik)
- lag die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Müttern im Jahr 2010 bei maximal 25 Stunden (HP-PLUS). Trotzdem wünschten sich laut Familienreport 2011 nur 20% der Mütter eine längere Arbeitszeit, während 41% von ihnen lieber kürzer arbeiten würden (HBF-Statistik). Mütter mit Aufstockungswunsch strebten dabei nach einer wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 19 Stunden (HP-PLUS)
- klagen laut World Vision-Studie Kinder mit Eltern im Vollzeit-Teilzeit- oder Vollzeit-Nicht-Erwerbs-Modell am wenigsten über fehlende gemeinsame Zeit mit ihren Eltern (vgl. HBF-Statistik)
Zudem zeugt der Plan von einer beachtlichen Ferne zur Lebenswirklichkeit der Familien und den Realitäten des Arbeitsmarktes. Da Männer in der Regel in den besser bezahlten Branchen tätig sind, wäre der Einkommensausfall durch eine Verringerung ihrer Arbeitszeit von 40 auf 32 Wochenstunden trotz gleichzeitiger Aufstockung der Mütter auf das politische 32-Stunden-Ideal nicht auszugleichen.
Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht stellt sich wiederum die Frage, woher die zusätzlich benötigten Fachkräfte kommen sollen, wenn die Väter ihre Arbeitszeit kräftig verringern. Frauen kommen dafür auf Grund ihrer weiterhin frauentypischen Berufswahl kaum in Frage. Schon heute klagt die Wirtschaft jedoch über eine wachsende Fachkräftelücke, die durch die Schrumpf-Alterung der Bevölkerung in den nächsten Jahren noch kräftig anwachsen soll.
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Zum Thema siehe auch:
- HBF-Themen-Archiv “Zeit für….Kinder”
- HBF-Themen-Archiv “Vereinbarkeit von Familie und Beruf”
- HBF-Themen-Archiv “Familie in Zahlen”
- HBF-TV-TiP: Haben wir Angst vorm Kinder kriegen? – ARD-EinsPLUS, 08.01.14, 21:45-22:15 Uhr. Den Beitrag finden Sie HIER als Video
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