Mittelschicht weiter unter Druck

– aber der (mediale) Kampf um „die Werte“ hat Konjunktur

/ Warum der Sozialstaat bedroht ist

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HBF-AKTUELL, Tübingen, 24. Februar 2014, erstellt 16:20 Uhr, Stand 25.02.14, 08:15 Uhr

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Der Sozialstaat ist der bislang beste Weg die Gerechtigkeitsfragen jeder (europäischen) Gesellschaft zu lösen – so Franz-Xaver Kaufmann, einer der renommiertesten Soziologen in Deutschland, heute in seinem langen FAZ-Essay (HPL). Daran erinnert er auch an die wichtigste Quelle dieses Erfolgsmodells (HPL). Wie notwendig dieser Hinweis ist, zeigt der Blick darauf, was die (Medien-)Republik schon seit Wochen erregt (HPL). Der Alltag der Normalbevölkerung mit ihren wachsenden Nöten (HPL) kommt dort nicht mehr vor. Stattdessen machen bestenfalls (vermeintliche) Erfolgsmeldung die Runde (HPL), die nur gelegentlich von aktuellen Schlaglichtern auf die Wirklichkeit (HPL) kontrastiert werden.

 

HBF-Volltext-Version

 

Der Sozialstaat ist der bislang beste Weg die Gerechtigkeitsfragen jeder (europäischen) Gesellschaft zu lösen – so Franz-Xaver Kaufmann, einer der renommiertesten Soziologen in Deutschland, heute in seinem langen FAZ-Essay:

F.A.Z., Montag, den 24.02.2014 Die Gegenwart 7

DAS DOPPELGESICHT DES SOZIALSTAATS

Sozialpolitik löst Probleme – und schafft dabei neue. Einen besseren Weg zur Lösung von Gerechtigkeitsfragen gibt es freilich nicht. Jedenfalls nicht im Horizont der kulturellen Traditionen Europas.

Von Professor Dr. Franz-Xaver Kaufmann

(…) Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten und Ostasien sind die Länder, die sich dem wohlfahrtsstaatlichen Projekt verschrieben haben, davon überzeugt, dass ein Wirtschaftssystem nicht geeignet ist, alleine die sozialen Probleme zu lösen, für deren Entstehung es zum mindesten mitursächlich ist, wenn es uneingeschränkt seiner eigenen Dynamik überlassen bleibt. (….)

 

Darin erinnert er auch an die wichtigste Quelle dieses Erfolgsmodells:

 

Heute, in Zeiten mangelnden Nachwuchses, wird immer mehr Unternehmen bewusst, dass die Reproduktion des Humankapitals oder Humanvermögens nicht durch die Marktwirtschaft, sondern durch die Familien und das Bildungswesen geschieht. Schätzungen besagen, dass die Summe der kapitalisierten Humanvermögen der deutschen Volkswirtschaft die Summe des investierten Sachkapitals deutlich übersteigt, also mehr als die Hälfte der volkswirtschaftlichen Investitionen ausmacht.

(aus: ebda)

 

siehe dazu auch:

 

Wie notwendig dieser Hinweis ist, zeigt der Blick darauf, was die (Medien-)Republik schon seit Wochen erregt:

 

Rheinische Post Online 10. Februar 2014 | 15.10 Uhr

Fall Alice Schwarzer war Thema bei Günther Jauch

Berlin. Seit einer Woche diskutiert Deutschland den Fall Alice Schwarzer. Will, Illner, Plasberg – unzählige Talk-Shows haben das Thema Steuerhinterziehung analysiert. Nun auch Günther Jauch.

ARD Menschen bei Maischberger 11.02.14

Homosexualität auf dem Lehrplan:

DROHT DIE “MORALISCHE UMERZIEHUNG”?

 

Welt Online 23.02.14

Prostitutionsgesetz

Mindestalter von Huren soll auf 21 Jahre steigen

Das Prostitutionsgesetz soll verschärft werden. Kommunen fordern höhere Abgaben und strengere Kontrollen für Bordelle. Zunehmend gehen auch Minderjährige aus Zwangslagen heraus der Prostitution nach.

Von Stefan von Borstel

FAZ.NET  24.02.14

TV-Frühkritik: Günther Jauch

 UNSERE KINDER

Günther Jauch hat sich in seiner Sendung mit Kinderpornographie beschäftigt. Er stellte der Politik berechtigte Fragen – und seinen Zuschauern.

Von Frank Lübberding

(….)

Debatte als Ausdruck einer Hysterie

 

Im Laufe der Sendung wurde im Grunde alles dementiert, was seit der Veröffentlichung des Kriminalfalls Edathy vor zwei Wochen politisch diskutiert worden ist. So konnte es auch niemanden verwundern, dass die Bundesfamilienministerin Manuela eine fast schon bemitleidenswerte Vorstellung abgab. Sie hatte nur ein Argument, und das wiederholte sie häufig. Es ginge „um unsere Kinder“. Sie müssten vor der sexuellen Ausbeutung geschützt werden. Nur galt das schon vor der Affäre Edathy – und war schon vor Jahren das Thema gewesen als es um den sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche gegangen war. Bellwinkel wies auf den von einem Runden Tisch verabschiedeten „Maßnahmeplan“ hin, der noch nicht umgesetzt worden sei. Oder die unzureichende Ausstattung der Polizei für eine effektive Strafverfolgung. Wobei Vetter mit guten Gründen fragte, ob die „Wellenbewegungen“ (Bellwinkel) in der Kinderpornographie-Debatte nicht zu einer Fehlsteuerung polizeilicher Kapazitäten führe. Er stellte damit letztlich eine unerhörte Frage: Nämlich die Debatte als Ausdruck einer Hysterie zu begreifen.

(…)

 

Der Alltag der Normalbevölkerung mit ihren wachsenden Nöten kommt dort nicht mehr vor:

DeutschlandRadio Kultur, Aktuell / Beitrag vom 24.02.2014

Schwerpunkt

“Die Krise und ich”

ERFAHRUNGEN MIT DEM SOZIALEN ABSTIEG

Wohlstand ade: Ein Mann in Berlin sucht in einem Papierkorb nach Pfanddosen (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)

Existenziell abgesichert, keine Angst vor der Zukunft? Diese Zeiten sind vorbei. Das untere Drittel der Gesellschaft muss längst mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und drohender Altersarmut umgehen, die Mitteschicht hat Angst, nach unten abzurutschen. Downgrading heißt das Modewort für den sozialen Abstieg. In einer Serie von Hörstücken, die das Radiofeuilleton vom 24. Bis zum 28. Februar täglich um 11.55 Uhr sendet, schildert die Literaturkritikerin Brigitte Neumann ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Downgrading.

 

“Die Krise und ich” handelt vom Umzug in eine Hochhaussiedlung am Stadtrand in eine Wohnung mit “Papierwänden”. Von der fatalen Wirkung eines Satzes wie “vom Alter her sind Sie nicht mehr vermittelbar”. Von der Zusatzbelastung durch einen schwer kranken Lebenspartner. Von Geld, (Galgen)-Humor, Zuversicht und Würde.

Ergänzt werden diese “Innenansichten” durch Gespräche mit Experten wie Soziologen, Historikern und Theologen, die wir befragen, welche Wege aus der Misere möglich sind. Und auch unserer Hörer können von ihren Erfahrungen, Ängsten und Lösungsvorschlägen berichten, am 1.3., von 9.05 bis 11 Uhr.

 

Stattdessen machen bestenfalls (vermeintliche – siehe dazu: HBF-Premium) Erfolgsmeldungen die Runde:

Bundesregierung Dienstag, 18. Februar 2014

Arbeitsmarkt

NOCH NIE SO VIELE ERWERBSTÄTIGE

Die Zahl der Erwerbstätigen hat im vierten Quartal 2013 einen neuen Rekordwert erreicht: 42.204.000 Menschen waren in Deutschland beschäftigt. Im Vergleich zum Vorjahr gingen 243.000 Menschen mehr einer Beschäftigung nach. Getragen wird der gute Wert überwiegend vom Anstieg im Dienstleistungsbereich.

 

Faz.net  23.01.2014 

Bildungsrendite

 EIN STUDIUM BRINGT 2,3 MILLIONEN EURO

Was sind die einzelnen Bildungsabschlüsse wirklich wert? Wie stark lohnt sich ein Studium, was bringt eine Ausbildung? Eine neue Untersuchung liefert Zahlen zu diesen Fragen.

Von Sven Astheimer

 

(…)  Das ist mehr als doppelt so viel wie die 1,08 Millionen Euro, auf die ein Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung kommt. Die formal Unqualifizierten bilden auch das Schlusslicht in der Tabelle, die das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) berechnet hat. (…)

 

Die bereitwillig(-unkritische) Verbreitung stimmungsaufhellender Zahlen wird nur gelegentlich von aktuellen Schlaglichtern auf die Wirklichkeit kontrastiert:

WirtschaftsWoche online 2014-02-23 15:18:48

Unveröffentlichtes Gutachten

WISSENSCHAFTLER VERLASSEN DEUTSCHLAND

Immer mehr Akademiker verlassen Deutschland, weil die Situation an deutschen Universitäten schwierig ist. Sie gehen vor allem in die Schweiz und in die USA.

Sie sind jung – und gut ausgebildet: Die Lage für junge Akademiker an deutschen Universitäten und Forschungsinstituten hingegen sind schwierig. Einem bislang unveröffentlichten Gutachten zufolge, das sie diese Woche an Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht werden soll, zeigt im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe nur eine mäßige Bilanz auf, schreibt das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”.(…)

 

SPIEGEL Online 23. Februar 2014, 14:35 Uhr

KAMPF UM KLUGE KÖPFE

Wissenschaftler wandern aus Deutschland ab

Bye-bye Bundesrepublik: Viele hochqualifizierte Wissenschaftler verlassen Deutschland, wenige kommen her. Ein bislang unveröffentlichtes Gutachten warnt nach Informationen des SPIEGEL vor der Abwanderung der Besten – und zeigt, wo es besser läuft.

Hamburg – Im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe weist Deutschland nach SPIEGEL-Informationen nur eine mäßige Bilanz auf. Zu diesem Ergebnis kommt die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in einem bislang unveröffentlichten Gutachten, das sie diese Woche an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überreichen wird.

 “Deutschland verliert viele der besten Wissenschaftler durch Abwanderung. Zwar gibt es Rückkehrer, jedoch können nicht Wissenschaftler gleicher Qualität zurückgewonnen werden”, schreiben die sechs von der Bundesregierung als Berater bestellten Wirtschaftsprofessoren. (…)

 

Deutschlandfunk  HINTERGRUND 13.10.2013 • 18:40 Uhr

Viele Doktoranden arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen – ohne Zukunftsperspektive (Bild: picture alliance / Universität Jena)

Prekär und befristet

Schlechte Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland

Von Armin Himmelrath

 

 

ZEIT Online  19. Januar 2014  10:07 Uhr

Arbeitsmarktstudie

HUNDERTTAUSENDE AKADEMIKER ARBEITEN ZU NIEDRIGLÖHNEN

Fast jeder zehnte Akademiker erhielt 2012 nach einer Studie nicht mehr als 9,30 Euro brutto pro Stunde. Bei Frauen ist der Anteil nahezu doppelt

 

 HBF-Infodienst Tübingen, 06. Juli 2011

Gespaltene Gesellschaft: 

Rekord-Kinderlosigkeit bei Akademikern/innen 

– (Frauen)Elite erschöpft sich im Kampf um die Frauenquote

 

 

und HBF-Premium

Zum Thema siehe auch:

DIE ZEIT, 20.02.14, Nr. 9

Lisa liebt Leslie, Leo liebt Lars

Warum ist plötzlich Homophobie wieder ein Talkshow­Thema?

Die gesellschaftliche Mitte ist verunsichert und fürchtet das eigene Verschwinden

Von Christine Lemke-Matwey

 

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