Gemeinsames SOZIALWORT DER KIRCHEN:

(Totale) ARBEITSMARKTGSELLSCHAFT bekommt jetzt auch ihren kirchlichen SEGEN

 KEIN Konzept für den geforderten „BEZIEHUNGSWOHLSTAND“

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HBF-AKTUELL, Tübingen 28. Februar 2014, erstellt 13:40 Uhr, Stand 17:05 Uhr

Das heute vorgelegte Sozialwort der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz (HPL) betrachtet den Arbeitsmarkt als zentralen Ort der gesellschaftlichen Beteiligungsgerechtigkeit (HPL). Daher müsse es das Ziel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein, die Hürden abzubauen, die der – gerade auch unter demographischen Gesichtspunkten notwendigen (HPL) –  möglichst umfassenden Beteiligung der Bevölkerung am Erwerbsarbeitsmarkt im Wege stehen (HPL). Dies gilt auch mit Blick auf die Familien (HPL).

Dieses “modernisierte” Gerechtigkeitsverständnis gibt allerdings keine Antwort auf den von den Kirchen geforderten “Beziehungswohlstand” (HPL). Hier konnte man gerade erst von einem der renommiertesten Sozialwissenschaftler des Landes mehr erfahren (HPL). Selbst in ihrem letzten gemeinsamen Sozialwort aus dem Jahr 1997 zeigten die höchsten Kirchenvertreter einen weitaus fortgeschritteneren Erkenntnisstand (HPL).

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HBF-Volltext-Version

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Das heute vorgelegte Sozialwort der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Deutschen Bischofskonferenz (siehe PM der DBK 28.02.14) betrachtet den Arbeitsmarkt als zentralen Ort der gesellschaftlichen Beteiligungsgerechtigkeit:

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EKD/DBK 28.01.14

Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft für eine erneuerte Wirtschafts- und Sozialordnung

Initiative des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz

S. 21f

Wie in den meisten OECD-Ländern, so hat auch in Deutschland in den letzten 30 Jahren die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen zugenommen.

Offensichtlich ist es noch nicht hinreichend gelungen, eine Antwort darauf zu finden, wie unter den Bedingungen der Globalisierung ein gerechter und fairer sozialer Ausgleich in der Sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts organisiert werden kann. (…) Eine besondere sozialpolitische Herausforderung liegt darin, dass es nach wie vor eine große Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft gibt, die dauerhaft von der Teilhabe an Erwerbsarbeit und damit von sozialen Aufstiegschancen ausgeschlossen sind. Eine derartige soziale Exklusion ist nicht nur in moralischer, sondern auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht ein Problem. (….)

Angesichts gewachsener sozialer Ungleichheit darf aber nicht übersehen werden, dass gerechte Teilhabe auch eine Frage von Einkommen und Vermögen ist. Beteiligungs- und Verteilungsgerechtigkeit gehören zusammen. (…..)

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S. 45 ff

Gemeinsame Verantwortung heißt,

eine breite Beteiligung an Erwerbsarbeit als wichtigem Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen

(…) Die Gesamtzahl aller Arbeitsverhältnisse hat einen Höchststand erreicht, auch wenn sich das Arbeitsvolumen, z. B. durch die zunehmende Teilzeitarbeit, nicht erhöht hat. Dazu haben die Arbeitsmarktreformen der letzten zehn Jahre beigetragen. Mit den zurückliegenden Arbeitsmarktreformen wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt und das neue SGB II konsequent auf Aktivierung („Fördern und Fordern”) umgestellt. (…) Politik, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände dürfen in ihren Anstrengungen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit nicht nachlassen. Denn Arbeitslosigkeit ist mehr als bloße Einkommenslosigkeit. Sie bedeutet den Ausschluss aus einem zentralen Lebensbereich unserer Gesellschaft. Partizipation am Arbeitsmarkt und Teilhabe an der Erwerbsarbeit sind wesentlicher Ausdruck gesellschaftlicher Inklusion. Inklusion und Partizipation müssen deshalb auch das Leitbild bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein. Das betrifft insbesondere das nach wie vor große Problem der Langzeitarbeitslosigkeit.(…)

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Daher müsse es das Ziel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein, die Hürden abzubauen, die der – gerade auch unter demographischen Gesichtspunkten notwendigen –  möglichst umfassenden Beteiligung der Bevölkerung am Erwerbsarbeitsmarkt im Wege stehen.

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Angesichts der mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen können wir es weniger denn je hinnehmen, die Fähigkeiten und Begabungen von Millionen Menschen brachliegen zu lassen. Die damit verbundene Frage der Generationengerechtigkeit wird auch auf anderen Ebenen in Zukunft eine besondere Wichtigkeit und Dringlichkeit bekommen. Diejenigen, die heute in prekären Arbeitsverhältnissen leben oder aus anderen Gründen keine private Vorsorge treffen können, haben ein hohes Risiko, im Alter in Armut zu leben.

(…)

Es ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der Sozialpolitik im 21. Jahrhundert, die soziale Aufstiegsmobilität zu fördern. Hierbei kommt dem Bereich der Bildung eine Schlüsselrolle zu. Denn Bildungspolitik ist vorsorgende Sozialpolitik. (….)

(ebda. S. 21)

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(…) Wir müssen deshalb darüber nachdenken, wie wir die Solidarität über die Generationen hinweg in Zukunft sicherstellen und organisieren wollen. Das bedeutet im Kern die Herausforderung, den gefährdeten Menschen durch Qualifizierung und Befähigung die Beteiligung am regulären Erwerbsleben zu ermöglichen.

(ebda. S. 22)

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Die zentrale Rolle der Erwerbsarbeit, so läßt sich das neue Sozialwort verstehen, gilt offensichtlich auch mit Blick auf die Familien. Denn bei der von den Kirchen für notwendig erachteten Bildung, die zum sozialen Aufstieg durch Erwerbsarbeit befähige, sind die Eltern nur noch rhetorisch ausschlaggebend:

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Zur Realisierung einer Gesellschaft, die Bildung von Anfang an und für alle ermöglicht, muss einerseits mehr Geld für Investitionen in Bildung zur Verfugung gestellt, andererseits aber auch die bisherige Verwendung finanzieller Mittel im Bildungsbereich überdacht werden. Der Idee eines befähigenden und vorsorgenden Sozialstaates folgend, sollte dementsprechend vor allem am Anfang der Bildungsbiographie investiert werden.

In den ersten Lebensjahren ist zunächst die Familie der vorrangige Bildungsort. Diese Zeiten, die Familien mit ihren Kindern verbringen, werden zunehmend durch frühkindliche Bildungsangebote ergänzt. Doch vor allem im Bereich der frühkindlichen Bildung erhebliche Defizite.

(ebda. S.50f)

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siehe dazu:

  • (Nach einer) Repräsentativstudie des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik von 2012: 17 % der Neueltern zählen zu den “unsicheren Familien” und rund 6 % zu den Risiko-Familien. 77% der Familien eingestuft als stabil und “selbstorganisiert”.
  • Der Psychotherapeut und Bindungsforscher der Uni München Karl Heinz Brisch konstatiert, daß in Deutschland nur 55 bis 65% aller Kinder als sicher gebunden gelten.

aus: KAB Würzburg 27. April 2013, Fachtagung “Unbezahlbar, aber umsonst? Wie kann die Gesellschaft Familienarbeit honorieren? – Vortrag: Familiengehalt – ein Konzept zur “echten” Familienförderung! Von Kostas Petropulos, Leiter des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit

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Auch bei der Bewertung der Erziehungsleistung für die demographische Stabilität der Rentenversicherung im Vergleich zur traditionellen Erwerbsarbeit kommen die Kirchen, trotz ihres richtigen Ausgangspunkts am Ende zu den ähnlichen Ergebnissen wie die Politik:

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Die Finanzierung der gesetzlichen Rente wird vor allem angesichts des ungünstigen Verhältnisses zwischen der steigenden Zahl der Rentenempfänger und der geringer werdenden Zahl an Beitragszahlern zunehmend schwierig. (…)

Anerkennung der monetären Beitragsleistungen zur Rentenversicherung ist eine weitergehende Anerkennung des generativen Beitragszur Rentenversicherung erforderlich. In der umlagefinanzierten Rente ist eine angemessene Berücksichtigung generativer Beiträge in Form der Anerkennung von Kindererziehungszeiten unabdingbar. Das würde der zugrunde liegenden Vorstellung eines Drei-Generationen-Vertrages systemgemäß entsprechen. Dennoch fand die Anerkennung von Kindererziehungszeiten zunächst keinen Eingang in die Gesetzliche Rentenversicherung und auch spätere Reformen berücksichtigen familiale Leistungen nur unzureichend. Es ist gut, wenn die bestehende Ungleichbehandlung von Erziehungszeiten vor und nach 1992 nun endlich korrigiert wird.

(ebda. S. 38 und S. 40)

HBF-Anmerkung:

Die Ungleichbehandlung der Erziehungsleistung in Rentenversicherung bleibt auch nach den schwarz-roten Koalitionsbeschlüssen weiter bestehen. Mütter mit Geburten vor 1992 erhalten künftig nicht mehr nur ein, sondern zwei Babyjahre angerechnet, aber bei den jüngeren Müttern sind es 3 Jahre.

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Dieses “modernisierte” Gerechtigkeitsverständnis gibt allerdings keine Antwort auf den von den Kirchen geforderten “Beziehungswohlstand”:

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Nicht nur in den Kirchen wird heute betont, dass das Ziel der Steigerung des materiellen Wohlstandes, das in den letzten Jahrzehnten in der Gesellschaft im Zentrum gestanden hat, in eine neue Balance mit der Steigerung des „Beziehungswohlstands” gebracht werden muss  Dazu gehört auch mehr Aufmerksamkeit für die Pflege und Fortentwicklung sozialer Beziehungen, für Erziehung, liebevolle Zuwendung und die Förderung der Gemeinschaft wie für eine Beziehung zur Schöpfung, die nicht von Ausbeutung gekennzeichnet ist, sondern von Achtung.

(eba S. 22)

Die Wertschätzung und die tatsächliche Pflege des “Beziehungswohlstands” im Alltag hat jedoch eine Voraussetzung: Den kollektiven Abschied von der krassen Überbewertung der Erwerbsarbeit. Das hatte am Wochenanfang der Nestor der deutschen Sozialpolitik Prof. Franz-Xaver Kaufmann in seinem FAZ-Beitrag angemahnt:

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Heute, in Zeiten mangelnden Nachwuchses, wird immer mehr Unternehmen bewusst, dass die Reproduktion des Humankapitals oder Humanvermögens nicht durch die Marktwirtschaft, sondern durch die Familien und das Bildungswesen geschieht. Schätzungen besagen, dass die Summe der kapitalisierten Humanvermögen der deutschen Volkswirtschaft die Summe des investierten Sachkapitals deutlich übersteigt, also mehr als die Hälfte der volkswirtschaftlichen Investitionen ausmacht.

(aus: DAS DOPPELGESICHT DES SOZIALSTAATS. Von Professor Dr. Franz-Xaver Kaufmann. F.A.Z., Montag, den 24.02.2014. Die Gegenwart 7)

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Dagegen zeigten sich die Kirchenvertreter schon in ihrem letzten gemeinsamen Sozialwort aus dem Jahr 1997 nicht nur an dieser Stelle auf der Höhe der gesellschaftspolitischen Erfordernisse:

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(194) Eine wirkliche Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit setzt weiter voraus, daß beide in ihrer Bedeutung für die gesellschaftliche Wohlfahrt und für die persönliche Lebensgestaltung als gleichrangig verstanden und nicht einander nachgeordnet werden. Angesichts der gegenwärtigen Prioritätensetzungen ist eine stärkere gesellschaftliche und politische Anerkennung der Familientätigkeit erforderlich, die sich auch in finanzieller Anerkennung niederschlagen muß. Damit wird im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern der Zwang reduziert, aus wirtschaftlichen Gründen das Familienleben der Erwerbstätigkeit nachzuordnen oder für die Berücksichtigung der Familieninteressen hohe Kosten auf sich zu nehmen.

(195) Eltern, die ihrer Kinder wegen nicht erwerbstätig sind oder eine Teilzeitstelle annehmen, dürfen im System der sozialen Sicherheit, vor allem in der Renten- und Pflegeversicherung, nicht länger diskriminiert werden. Dies ist um so wichtiger, als es wünschenswert ist, daß ein Elternteil um der Kinder willen in der Lage ist, auf eine Erwerbstätigkeit zumindest zeitweise zu verzichten, um Familien- und Erziehungsarbeit leisten zu können. Eine echte Wahlfreiheit in der Gestaltung von Familien- und Erwerbsarbeit im Familienzyklus besteht erst dann, wenn daraus keine nachteiligen Folgen vor allem im Blick auf die Altersversorgung erwachsen und sich beide Eltern sowohl für Familienarbeit als auch Erwerbsarbeit entscheiden können. Daher muß angestrebt werden, die Zeiten der Kinderziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung noch stärker rentenbegründend und rentensteigernd anzuerkennen und die Chancen der beruflichen Wiedereingliederung von Eltern weiter zu verbessern. (…)

(197) Um eine angemessene materielle Absicherung und gesellschaftliche Anerkennung von Familien zu erreichen, ist es insbesondere geboten, das Steuersystem so auszugestalten, daß Ehepaare oder Alleinstehende mit Kindern nicht schlechter gestellt werden als kinderlose Steuerzahler. Dazu müssen die existenznotwendigen Aufwendungen für Kinder in realistischer Höhe angesetzt und von steuerlichen Belastungen freigestellt werden. Das Kindergeld sowie das Erziehungsgeld sind auch der Höhe nach so auszugestalten, daß Kinder jedenfalls nicht die Ursache für Armut sein können und keine Familie auch in den niedrigeren Einkommensbereichen lediglich auf Grund der Tatsache, daß sie Kinder hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die sozialstaatlich gebotene Sicherstellung des wirtschaftlichen Existenzminimums von Familien erfordert die Anpassung der finanziellen Leistungen an die wirtschaftliche Entwicklung in angemessenen Zeitabständen. Diese staatlichen Leistungen und ihre bedarfsgerechte Anpassung müssen auch bei engen haushaltspolitischen Spielräumen verläßlich sein und dürfen nicht jeweils neuen und anderen Finanzierungsprioritäten untergeordnet werden.

(aus: Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der EKD und der DBK, 1997)

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Zum Thema siehe auch:

 

 

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